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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin
Autoren: Lea Korte
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Rücken in der Hoffnung, in dem anscheinend toleranteren Portugal, wohin in den letzten Jahren bereits viele jüdische Familien geflüchtet waren, ein neues Leben beginnen zu können.
    So verkauften sie ihr Stadthaus in Granada, ihre Seidenfarm und ihre Ländereien in der Vega, luden ihren liebsten Besitz auf zwei Wagen und zogen einer ungewissen Zukunft entgegen …

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    Erster Teil
    Talavera
1491 bis 1496 / 97
    I.
    Eine Lichtung unweit von Umbrete (Provincia de Sevilla)
2 . Dezember 1491
    M utter, so hört doch, da, im Wald … Hört Ihr das nicht?« Bang sah die vierjährige Chalida zu ihrer Mutter auf, doch diese war damit beschäftigt, auf dem kargen Boden der kleinen Lichtung ihren Schlafplatz für die Nacht vorzubereiten, und brummelte nur: »Ach Kind, was soll da schon sein? Wahrscheinlich streift eine Herde Mufflons umher, oder ein paar Wildschweine stöbern nach Mäusenestern im Laub.«
    Trotz der beruhigenden Worte starrte Chalida mit ihren großen blauen Augen weiter angstvoll zum dunklen Wald hinüber und wich ihrer Mutter nicht von der Seite. Als Zahra die Decken ausgebreitet hatte, wandte sie sich ihrer Tochter zu und strich ihr über die kastanienbraunen Locken. »Was hast du bloß? Du bist doch sonst nicht so furchtsam!«
    Chalida antwortete nicht. Ihr kleines, feines Gesichtchen war noch blasser als sonst, ihr Atem ging rasch und flach wie nach einer Verfolgungsjagd. Allmählich doch von der Unruhe ihrer Tochter angesteckt, spähte Zahra in die Richtung, in die Chalida blickte. Zahra lauschte angestrengt, konnte aber weiterhin nichts Ungewöhnliches feststellen. Allerdings herrschte um sie herum rege Geschäftigkeit. Auch ihre Geschwister und einige ihrer Diener und Geleitsoldaten waren damit beschäftigt, die Schlafstätten für die Nacht vorzubereiten, während andere die Reittiere absattelten. Die Pferde, die ihre beiden Wagen zogen, stampften ungeduldig und wollten getränkt und zum Weiden geführt werden. Tamu, ihre älteste Dienerin, packte gemeinsam mit der fünfzehnjährigen Khadidscha das Kochgeschirr aus, um für ihre Truppe, die aus achtunddreißig Männern, Frauen und Kindern bestand, eine kräftige Suppe zu kochen. Zwar war es ein milder Herbst gewesen, aber sobald die Sonne unterging, wurde es mittlerweile empfindlich kühl, und dann tat es gut, sich zumindest von innen aufwärmen zu können.
    Zahra sah zu Jaime, der gerade ein Lagerfeuer anfachte. »Kannst du im Wald etwas Besonderes hören? Chalida ist schier außer sich vor Angst, und ich verstehe nicht, warum!«
    Jaime blies zum wiederholten Male in die Glut, woraufhin endlich eine kleine Flamme hochzüngelte und das allzu klamme Reisig doch noch Feuer fing. Dann erhob er sich, trat zu ihnen und nahm seine Tochter auf den Arm. »Was hast du denn, mein Herz?«
    Chalida blickte weiter starr in den Wald. Jaime drückte sie an sich. »Aber Kind, du zitterst ja!«
    »Vater, hört Ihr das denn nicht?«, wisperte sie und schien sich immer mehr in sich selbst zu verkriechen.
    Jaime rief den anderen zu, für einen Moment in ihren Tätigkeiten innezuhalten, aber auch als sich alle ganz ruhig verhielten, vernahmen sie nichts als ein leises Blätterrascheln im Wind. »Sie ist gewiss übermüdet«, meinte er und reichte Zahra ihre Tochter. »Immerhin sind wir seit Sonnenaufgang fast pausenlos geritten. Es wird Zeit, dass wir etwas in den Magen kriegen und sie schlafen kann.«
    Wirklich zu beruhigen vermochte er Zahra damit nicht, und auch Tamu hob zweifelnd die Augenbrauen. Die alte Berberin drückte Khadidscha die Karotte, die sie gerade schälte, in die Hand und ging zu Zahra und Chalida hinüber.
    »Was hörst du, mein Liebling?«, brummelte sie und näherte ihr von tiefen Falten zerfurchtes Gesicht dem Chalidas, bis sie es fast berührte. »Na komm, sag deiner alten Tamu, was du hörst!«
    »Ich weiß nicht«, brachte Chalida mit erstickter Stimme hervor. »Es wird immer lauter. Es ist wie Schreien und Hämmern …«
    Plötzlich horchte Jaime auf. »Verdammt«, brüllte er. »Das Kind hat recht, da donnert ein Reitertrupp auf uns zu! Schnell, alle Frauen und Kinder unter die Wagen, und ihr Männer auf eure Plätze! Na los, jeden Moment werden sie hier sein!«
    Hastig sah sich Zahra nach ihren Söhnen um. Der sechsjährige Abdarrahman und der zweijährige Yayah übten sich am Waldrand im Steineweitwurf.
    »Abdu, hörst du denn nicht, was dein Vater sagt? Kriech sofort mit Yayah unter unseren Wagen! Jetzt mach schon!«
    Im nächsten
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