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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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das Gleiche, dachte Hedwig. Bischöfe und Fürsten, Päpste und Kaiser – sie alle streiten um ihre Einflussgebiete.
    Beschwichtigend legte sie eine Hand auf Ottos Arm und wies mit der anderen auf den Boten. »Lasst den Bedauernswerten gehen, bevor er noch vor Angst im Boden versinkt.«
    Otto entließ ihn mit mürrischer Miene und einer lässigen Handbewegung.
    »Wenn Gerung wirklich Siedler aus Flandern kommen lassen will«, sprach Hedwig ruhig weiter, »werden sie lange unterwegs sein. Wer weiß, ob seine Werber überhaupt Erfolg hatten. Ihr habt Eure Lokatoren nach Franken gesandt, mein Herr und Gemahl. Die Ersten werden längst mit ihren Bauern auf dem Weg hierher sein.«
    Sie lächelte breit. »Gibt es schon Nachricht von Christian? Wäre es nicht unziemlich für eine Dame, würde ich wetten, dass er von allen, die Ihr ausgesandt habt, als Erster mit einer ganzen Kolonne Siedler eintrifft.«
    Zehn Schritte vom Grafen entfernt verzog ein hünenhafter Ritter mit weißblondem Haar das Gesicht.
    »Mir scheint, dein treuester Feind kommt gerade wieder einmal zu mehr Ehren, als er wert ist«, raunte ihm einer der drei ebenso kostbar gekleideten Ritter zu, die mit ihm in einer Gruppe standen. Die anderen grinsten hämisch, nur der Hüne blickte wütend vor sich hin.
    »Ja, und es sieht aus, als hätte er endlich einmal Glück bei den Damen«, fügte ein Zweiter hinzu und begann, über seinen eigenen Witz wiehernd zu lachen, während der Weißblonde ihn böse anfunkelte.
    Sie hatten Aufmerksamkeit auf sich gezogen, doch zu ihrem Glück betrat in diesem Moment der Haushofmeister den Saal und sorgte für Ablenkung.
    »Ein Bote mit einem Brief des Markgrafen Albrecht von Brandenburg«, meldete er und ließ einen staubbedeckten jungen Mann ein, dem man ansah, dass er einen Gewaltritt hinter sich hatte.
    »Oh, von meinem Herrn Vater«, sagte Hedwig erfreut und klatschte in die Hände. »Die Familienneuigkeiten werden uns aufheitern, mein Gemahl.«
    Sie blickte Otto so viel sagend in die Augen, dass der seinen Zorn für den Moment beiseite schob, tief durchatmete und dann einen Mundwinkel zu einem kalten, kaum sichtbaren Lächeln verzog.
     
    Tatsächlich erwartete Otto Nachrichten aus Brandenburg, die ihn aufheitern würden. Doch um Familienklatsch – wie Hedwig zur Täuschung der Anwesenden behauptet hatte – ging es dabei ganz und gar nicht. Mit dem Brief erhoffte er neue Einzelheiten zu erfahren über die Revolte der sächsischen Fürsten gegen den Mann, der sie alle immer wieder herausgefordert und tödlich beleidigt hatte: Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern.
    Der in Braunschweig residierende Welfe Heinrich war der mächtigste und am meisten gehasste Mann unter den Edlen des Kaiserreichs. Dass Heinrich über zwei Herzogtümer herrschte, sicherte ihm mindestens ebenso viel Einfluss wie dem Kaiser. Er gebärdete sich wie ein König, wenn Kaiser Friedrich von Staufen, den die Lombarden wegen seines roten Bartes »Barbarossa« nannten, in Italien war. Und dort war der Kaiser die meiste Zeit. Die bevorstehende Hochzeit des Braunschweigers mit der kleinen Mathilde, der Tochter des englischen Königs Heinrich Plantagenet und dessen Gemahlin Eleonore von Aquitanien, würde seine Position noch stärken und seinen Machtanspruch vermutlich ins Unermessliche wachsen lassen.
    Doch der Kaiser schien sich an dem Gebaren des Welfen nicht zu stören, der sein Vetter und einst selbst aussichtsreicher Anwärter auf die Krone gewesen war, solange ihn dieser auf seinen Italienfeldzügen mit einem großen Heer unterstützte. Wie oft auch der Löwe rücksichtslos das Recht brach und sich fremdes Land aneignete, Friedrich Rotbart entschied zu seinen Gunsten und schenkte den Klagen der Fürsten keine Beachtung. Deshalb schlossen sich immer mehr Edle zu einem Bund gegen den Welfen zusammen: Sachsen von der Nordsee bis zum Harz, seine Widersacher vom Südwesten bis zum Südosten des Kaiserreiches.
    Otto hatte lange gezögert, sich den Verschwörern anzuschließen, deren Anführer Hedwigs Vater war. Er war vorsichtig, wenn es um riskante Auseinandersetzungen ging. Doch vor ein paar Monaten war der Moment gekommen, wo er sich dieser Sache nicht mehr entziehen konnte, wollte er nicht das Gesicht vor seinem mächtigen Schwiegervater verlieren. Albrecht der Bär, ein Kampfgefährte von OttosVater, hatte einst das ihm verliehene riesige Herzogtum Sachsen an Heinrich abtreten müssen und gehörte zu den erbittertsten Feinden des
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