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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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würde?
    Als Marthe ihre Geschichte beendet hatte, schaute sie auf. Dabei traf ihr Blick so unverhofft den des Ritters, dass sie sich bis ins Innerste getroffen fühlte.
    In den dunklen Augen des Fremden spiegelte sich der Schein des Feuers wider. Doch merkwürdigerweise machte ihr dieser fast dämonisch wirkende Anblick keine Angst. Sie erahnte eine verborgene Leidenschaft hinter der beherrschten, strengen Miene.
    Mit einem Mal verstand sie, was Fine gemeint hatte, wenn sie sagte: »Die Augen sind das Tor zur Seele.«
    Hastig senkte sie die Lider, um ihre Verwirrung zu verbergen.
    »Werdet Ihr mich mitnehmen, Herr? Darf ich mich dem Zug anschließen?«, fragte sie bange.
    »Du hast keine bösen Zauber und unheilvollen Künste verwendet?«
    »Beim Seelenheil meiner toten Eltern – nein«, antwortete sie ernst. Der Ritter stand auf und trat das kleine Feuer mit einer leichten Bewegung aus.
    »Unser Marsch ist nicht ungefährlich. Und das Leben wird nicht einfach sein, wenn wir erst angekommen sind. Das musst du wissen«, sagte er. Dann bedeutete er ihr, ihm zu folgen, und ging zu den Leuten, die um das große Feuer lagerten.
     
    Ein mit Dolch und Streitkolben bewaffneter Blondschopf von vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahren kam ihnen entgegen und musterte Marthe kurz. »Wen bringt Ihr da, Herr?«
    »Wir bekommen Zuwachs«, entgegnete der Ritter. »Übernimm die Wache.«
    »Wie Ihr wünscht, Herr.« Der hoch aufgeschossene Junge nickte und zog in die Richtung, aus der sie kamen.
    Sein Knappe, erinnerte sich Marthe. Die Dorfbewohner hattenauch erzählt, dass er weitaus umgänglicher und redseliger als sein Herr war.
    Am Feuer lagerten – umgeben von etlichen Kindern – mehr als ein Dutzend zumeist junger Männer und Frauen, unter denen Marthe auch Emma und Jonas erkannte.
    »Das ist Marthe«, sagte der Ritter knapp. »Sie will mit uns ziehen und bittet um Schutz vor Wulfhart.«
    Emma blickte verblüfft auf. Rasch ging sie zu Marthe und zog sie an sich. »Was ist passiert?«
    »Fine ist tot. Und Wulfharts Wachen haben unsere Kate niedergebrannt, weil Irmhild wieder ein totes Kind geboren hat«, antwortete Marthe mit zugeschnürter Kehle. Erneut stiegen die schrecklichen Bilder in ihr auf. Sie kam sich plötzlich sehr allein und hilflos vor.
    »Sind sie hinter dir her?«, fragte eine griesgrämig wirkende ältere Frau aufgebracht. »Dann droht uns allen vielleicht noch Ärger. Und du hast nichts? Wie stellst du dir das vor? Wovon willst du leben, wenn wir angekommen sind?«
    Die Stimme der Fremden wurde immer schriller, während sie sprach.
    »Das ist Griseldis, die Frau des Ältesten«, raunte Emma leise.
    »Lass dich nicht einschüchtern.«
    Marthe schluckte. »Unsere weise Frau hat mir beigebracht, was sie wusste. Ich kann euch helfen, wenn ihr Fieber bekommt oder sich jemand verletzt. Ich kann eure Kinder auf die Welt holen. Den Sohn, den du trägst.«
    Alle blickten erstaunt zu Marthe. Geradezu fassungslos aber reagierte die von Kummer gezeichnete Frau, zu der sie die letzten Worte gesprochen hatte. Während ihr Mann erst verblüfft hochschaute und sie dann unbeholfen umarmte, stammelte sie: »Woher weißt du …? Ich bin mir doch selbst noch nicht sicher.«
    Marthe trat verlegen von einem Bein aufs andere. Sie hatte esnicht gewusst, bevor sie es aussprach, und nicht die geringste Ahnung, woher dieses Wissen kam. Aber sie war sich völlig sicher.
    Sie erwiderte nichts und zuckte nur mit den Schultern. Erschöpfung und Müdigkeit schienen plötzlich ihre Glieder bleiern schwer zu machen.
    »Ich kenne sie gut, sie hatte eine erfahrene Lehrmeisterin und wird uns nützlich sein«, setzte sich Emma für sie ein.
    »Eine Heilkundige und Wehmutter dabeizuhaben wäre gut, auch wenn du mir noch etwas jung dafür scheinst«, meinte ein kahlköpfiger Mann mit rundem Schädel, der neben Griseldis saß. Er sprach, ohne hochzublicken, sondern stocherte mit einem Ast in der Glut des Feuers, so dass hellrote Funken aufstoben. »Aber wir werden dich durchfüttern müssen. Und unsere Vorräte sind knapp. Keiner weiß, wie lange wir unterwegs sein werden. Und was wird, wenn wir angekommen sind? Eine Familie wird dich aufnehmen müssen. Oder du heiratest …«
    »Das wird sich finden, wenn es soweit ist«, unterbrach ihn der dunkelhaarige Ritter. »Als Waise hat sie Anspruch auf unseren Schutz. Falls Wulfhart Reiter ausschickt, die nach ihr suchen, werdet ihr schweigen. Ihr selbst wollt seiner Willkür nicht mehr ausgeliefert
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