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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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gesprochen, als es unversehens wieder still wurde. Vom Pfad, der sich vom Waldrand unterhalb der Hochebene nach oben schlängelte, sah man Lichter aufflackern, und die milde Sommerluft trug leisen Gesang zum Berggipfel herauf.
    Kurz darauf zog die Prozession der Mönche aus Sankt Mauritius auf dem Festplatz ein. Einer der Brüder trug ein mit Silber beschlagenes Kreuz voraus, dicht gefolgt vom Abt und den Mönchen, die mit Fackeln in den Händen hinter ihm einherschritten.

    Füße scharrten. Holzpantinen klapperten. Die versammelte Menge ging in die Knie. Und mit ihnen der Burggraf.
    Vater Hademar zeichnete das Kreuz in die Luft, ehe er, den Weihrauchkessel schwenkend, mit seinen singenden Mönchen dreimal um den Holzstoß zog.
    Schließlich kam die Prozession dicht neben dem Platz des Burggrafen zum Stehen.
    » A fulgere, grandine et tempestate . Von Blitz, Hagel und Ungewitter«, intonierte der Abt.
    » Libera nos, Domine, Jesu Christe . Erlöse uns, oh Herr, Jesus Christus«, antworteten die Mönche.
    » Ostende nobis, Domine, misericordiam tuam . Erzeige uns, Herr, deine Barmherzigkeit.«
    Und während die Mönche antworteten, bemerkte Bandolf aus dem Augenwinkel, dass der Abt ihn anstarrte. Fragend erwiderte er den eigentümlichen Blick, doch Vater Hademar hatte seine Augen bereits wieder auf den Holzstoß gerichtet, sodass Bandolf sich fragte, ob der Schein der vielen Fackeln ihn nicht getäuscht hatte.
    Der letzte rötliche Schimmer verschwand vom nächtlichen Himmel, und nur noch die Fackeln erhellten den Platz, als der Abt zum Ende kam: » Benedictio Dei omnipotentis, Patris et filii et Spiritus sancti, descendat super vos, locum istum, fructus terrae et maneat semper . Der Segen Gottes, des Allmächtigen, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, steige herab auf euch, diesen Ort, die Früchte der Erde, und bleibe immerdar. Amen .«
    Bandolf bekreuzigte sich, erhob sich zusammen mit der Menge und schaute für einen Moment verdutzt auf die Fackel, die man ihm in die Hand drückte. Dann begriff er, dass ihm als Herr der Burg offenkundig die Ehre zukam, das Sonnwendfeuer zu entzünden.

    Im Wormsgau wurde die Sonnenwende erst drei Tage später zum Fest Johannes des Täufers gefeiert, und es war Aufgabe der Priester, die Johannisfeuer zu entfachen. Doch in Sachsen pflegte man augenscheinlich den alten Brauch. Hier schien noch der weltliche Herr in der Pflicht zu stehen, die Gottheit dem Volk geneigt zu machen.
    Mit einem flauen Gefühl im Magen trat der Burggraf vor. Wenn die Scheite mit seiner Fackel nicht Feuer fangen würden, wäre sein ohnehin spärliches Ansehen bei den Haruden gewiss vollends dahin. Mit einem Stoßgebet zum Allmächtigen warf Bandolf die Fackel in den Holzstoß, Scheit und Kranz hinterher, und hielt den Atem an. Unentschlossen züngelte die kleine Flamme herum, wurde kleiner, und für einen Moment schien sie verlöschen zu wollen. Doch dann fing das Reisig am Fuß des Holzstoßes Feuer, die Flämmchen leckten gierig an den Scheiten, bis die ersten brannten. Erleichtert holte Bandolf Luft, als die Leute jubelnd ihre Fackeln der seinen hinterherschickten.
    Während die Mönche sich hinter ihrem Abt formierten und, das Te Deum laudamus anstimmend, an Bandolf vorbei dem Pfad bergabwärts zustrebten, sah er zu, wie das Feuer in den dunklen Nachthimmel loderte.
    »Glaubt nicht alles, was Euch zu Ohren kommt«, raunte eine Stimme an seinem Ohr.
    Der Burggraf fuhr herum, doch außer Herwald schien sich niemand in unmittelbarer Nähe zu befinden.
    »Hast du das gehört?«, fragte er scharf.
    »Was denn, Herr?«
    Ohne zu antworten, schüttelte Bandolf den Kopf, während er sich wachsam umschaute.
    Bruder Fridegist, der während der Segnung noch neben ihm gekniet hatte, war verschwunden, und von Meister Sigbrecht sah er just die kräftigen Schultern, die sich durch
die Menge in Richtung der am Spieß bratenden Hühner schoben.
    Die Aufmerksamkeit des Bauernvolks schien gänzlich auf den brennenden Holzstoß gerichtet, auf die Fässer mit Bier und Met, die man eigens zum Fest auf den Berg heraufgeschafft hatte, auf die Flötenpfeifer und Lautenzupfer, und auf die jungen Burschen und Mädchen, die bereits ausgelassen um das Feuer tanzten. Hie und da fing Bandolf verstohlene Blicke auf, die augenscheinlich ihm galten: manch einer argwöhnisch, einige neugierig, und viele feindselig. Das Volk hielt auffallend Abstand, als wäre er mit Aussatz behaftet.
    Der Burggraf runzelte die Stirn. War er
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