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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin
Autoren: Julie Klassen
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Kleides zu fassen, aber ich drückte mich durch das Loch hindurch und richtete mich auf der anderen Seite mühsam auf. Marlow fluchte laut und ich wusste, dass er nicht aufgeben würde. Wenn ihm doch nur das Pferd weglaufen würde, aber das würde ein so gut erzogenes Tier natürlich nicht tun. Aber wenigstens würde es ihn ein, zwei Sekunden kosten, wieder zu seinem Pferd zu laufen und aufzusteigen. Ich rannte über den Friedhof, durch das vordere Tor hinaus, die High Street hinunter. Vor mir tauchte schon unser Ladenschild auf, als ich plötzlich wieder Hufgetrappel hinter mir hörte. Wenn ich es nur noch schaffe, hineinzukommen und Vater die Wurzel zu geben, dann kann er mit mir machen, was er will. Lass mich nur rechtzeitig da sein, um Mary zu retten.
    Ich riss die Tür auf und gab ihr einen Stoß, damit sie hinter mir zufiel. Aber Roderick Marlow hatte sie schon gepackt und stürmte nach mir hinein. Die Ladenglocke klingelte wie verrückt. Er packte meinen Arm, noch bevor ich meinem erschrockenen Vater die Wurzel geben konnte.
    Roderick hob meine Hand mit der Pflanze hoch.
    »Roderick Rupert Marlow!«, erklang plötzlich die gebieterische Stimme von Maude Mimpurse. »Leg das hin und lass das Mädchen los. Lillian Grace Haswell! Was habe ich dir gesagt über deine Angewohnheit, wie ein Straßenkind durchs Dorf zu stürmen?«
    Roderick erstarrte und ich spürte erstaunt, wie er seinen Arm sinken ließ. Stimmt ja , dachte ich erleichtert. Unsere stämmige, dunkelhaarige Nachbarin war Marlows Kindermädchen gewesen. Ihre Autorität war geradezu legendär.
    »Sie ist eine Vandalin und Diebin«, rief der erzürnte Marlow. »Sie ist in unseren Garten eingedrungen!«
    »Sie sollte Pfingstrosenwurzeln für mich holen, Sir«, erklärte mein Vater. Sein Gesicht wirkte besorgt. »Es war ein Notfall. Miss Mary hat den schlimmsten epileptischen Anfall, den sie je hatte.«
    Plötzlich nahm ich den gesamten Raum wahr. Ich fuhr herum. Durch die offenstehende Tür des Sprechzimmers sah ich meine Freundin still auf der Pritsche liegen. Tödlich still.
    »Komme ich zu spät? Ist sie …?«
    »Der Anfall ist vorüber«, sagte mein Vater. »Ich glaube, der Baldrian hat schließlich doch noch gewirkt.«
    »Sie ist eingeschlafen, armes Lämmchen«, sagte Mrs Mimpurse. Ihre Stimme war wieder so sanft wie immer. »Sie war völlig erschöpft.«
    Ich hielt die Pfingstrose hoch – Stängel und Wurzel. »Dann … habe ich die völlig vergeblich gestohlen?«
    »Gestohlen? Du meine Güte«, sagte Mrs Mimpurse missfällig. »Wir sind doch Nachbarn, oder etwa nicht?«
    »Ich werde Sie entschädigen, junger Herr«, bot Vater an und legte Roderick die Hand auf die Schulter. »Wir müssen auf jeden Fall neue Tinktur herstellen. Wenn Sie möchten, können wir aber auch versuchen, die Pflanze wieder einzusetzen.«
    Roderick Marlow schüttelte Vaters Hand ab. »Nein. Halten Sie sich einfach nur von unserem Garten fern.« Er richtete seine brennenden Augen auf mich. Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Und lauf mir nicht mehr über den Weg.«
    Ich sollte den Befehl fast drei Jahre lang befolgen.
    Doch das war nicht annähernd lange genug.

Teil I

    Das Haus eines Apothekers sollte ein Zimmer haben, von dem aus er durch ein kleines Fensterchen oder dergleichen diskret beobachten kann, ob seine Lehrlinge faulenzen oder ob sie fleißig bei der Arbeit sind …
    C. J. S. Thompson, Mystery and Art of the Apothecary

    Du bist mir entschwunden wie ein schöner Traum,
vergeblich such ich dich.
    George Linley, Komponist

1

    Maiglöckchen
Erhöht die Leistungsfähigkeit des Gehirns, wirkt gegen Vergesslichkeit
und hilft dem Gedächtnis wieder auf die Sprünge.
    Culpeper's Complete Herbal
    Lilly Haswell wusste, dass ihr ein langer Tag, eingesperrt in die vier Wände des Hauses, bevorstand. Sie war früh aufgestanden und atmete am Fenster die frische, herbe Luft eines Herbstmorgens in Wiltshire tief ein. Beim Herunterkommen nickte sie Mrs Fowler, die sich bereits am Herd zu schaffen machte, grüßend zu, verließ das Haus durch die Hintertür zum Garten und ging mit gemessenen Schritten durch das Dorf. Erst als sie um die Ecke des Pfarrhauses bog, beschleunigte sie ihr Tempo. Als sie den kleinen Hügel gegenüber von Bedsley Priors erreichte, machte sie sich fast im Laufschritt an den Aufstieg. Hin und wieder über eine Grasnarbe stolpernd, genoss sie das Prickeln in ihren Beinen und das Brennen in ihrer Lunge. Sie hielt erst inne, als sie den Gipfel
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