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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin
Autoren: Julie Klassen
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Scherben weggeworfen und sich die Hände abgewischt, hörte sie auch schon die Ladenglocke, die die Ankunft eines weiteren Kunden ankündigte.
    »Guten Tag, Mrs Kilgrove«, hörte sie Francis sagen. »Willkommen bei Haswell.«
    »Sie brauchen gar nicht so zu tun, als gehöre Ihnen der Laden, junger Mann«, rügte die Matrone. Mrs Kilgrove war bekannt für ihre scharfe Zunge und sie pflegte niemand zu verschonen – ausgenommen Charlie.
    »Natürlich nicht, Ma'am. Ich bin einfach nur glücklich, dass ich in so einer angesehenen Apotheke in die Lehre gehen darf. Was kann ich für Sie tun?«
    »Sie? Ihnen würde ich um keinen Preis der Welt erzählen, was mir fehlt, und genauso wenig würde ich Ihnen auch nur ein einziges Lutschbonbon abkaufen. Wo ist Miss Haswell?«
    Lilly seufzte. So viel zum Umziehen.

    An diesem Nachmittag, während Francis mit dem Korkbohrer Flaschenstöpsel herstellte, langweilte Lilly sich fürchterlich. Sie putzte die Vordertheke und träumte dabei von einem vornehmen Reisenden – natürlich verletzt –, der auf der Suche nach Hilfe den Laden betrat und in Liebe zu ihr entbrannte. Sie war gerade an dem Punkt gelangt, da er sie bat, mit ihm durchzubrennen, als sie mit dem Putztuch an ein Keramikgefäß in Gestalt eines Bären stieß, das dicht an der Kante der Theke stand. Ihre Fantasiegestalten verflüchtigten sich. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum ihr Vater darauf bestand, dieses nutzlose Ding zu behalten.
    »Haben wir kürzlich Bärenfett verkauft?«, fragte sie mit mäßigem Interesse.
    Francis hielt in seiner Beschäftigung inne. »Ja, gestern. An mehrere Herren.«
    »Würdest du es auch ausprobieren, wenn du es nötig hättest?«
    Er zog eine Grimasse. »Ich brauche es wirklich nicht. Ich habe ja wohl genügend Haar.«
    Mehr als genug , dachte Lilly und betrachtete seinen üppigen braunen Lockenschopf.
    Ihr Vater kam herein, stellte sich vor seinen Lehrling und verschränkte die Arme. »Mr Baylor«, begann er in strengem Ton, »hatte ich Sie nicht gebeten, Nachschub an Pierquin's Diuretikum herzustellen?«
    Lilly sah, wie der junge Mann blass wurde.
    »Das stimmt, Sir. Es tut mir leid.«
    »Sie erinnern sich doch sicher an die Anweisungen, die ich Ihnen erst letzte Woche gab?«
    Lilly hielt den Atem an.
    »Natürlich erinnere ich mich daran, Sir. Es war ja erst letzte Woche.« Verstohlen warf er Lilly einen Blick zu, der förmlich um Hilfe bettelte.
    Mit dem Tuch in der Hand trat Lilly einen Schritt auf ihren Vater zu und sagte mit so viel Lässigkeit, wie sie aufbringen konnte: »Das ist einfach, es hat schließlich nur drei Inhaltsstoffe.«
    »Jawohl, drei«, plapperte Francis nach. »Ganz einfach.«
    Lilly spürte den Blick ihres Vaters auf sich ruhen, während sie begann, das Ladenfenster zu polieren. »Ich persönlich hasse es, Pierquin's zuzubereiten«, fuhr sie fort, die Augen fest auf ihren Lappen gerichtet. »Es ist« – sie wackelte dramatisch mit den Fingern in der Hoffnung, dass Francis hinsah – » tausend Mal schlimmer als alles andere.«
    Francis griff das Stichwort auf. »Das ist ja nur zu verständlich, wenn man an die vielen – Tausendfüßler denkt.«
    »Genau«, antwortete sie beiläufig. »Und deshalb bin ich doppelt froh, dass Vater dich und nicht mich gebeten hat, es herzustellen.«
    Sie warf einen Blick über die Schulter. Als sie sah, dass ihr Vater ihr den Rücken zugewandt hatte und Francis anschaute, der an der Theke stand, hauchte sie an die Glasscheibe und schrieb das Wort Beere auf das beschlagene Fenster. »Ich habe es zuletzt im Juni gemacht.« Dann hob sie den kleinen Finger und tat so, als tränke sie geziert aus einer Tasse.
    Francis, der sie heimlich, aber unverwandt beobachtete, sagte laut: »Pierquin's Diuretikum: mazerierte Tausendfüßler und in Tee aufgekochter Juniperus – Wacholderbeeren.«
    »In Weißwein gekochte Wacholderbeeren, Mr Baylor«, zischte Charles Haswell zwischen zusammengepressten Zähnen. »Tee, also wirklich! Sie sollten mehr lernen, junger Mann, wenn Sie sich als mein Schüler auszeichnen möchten.« Er warf Lilly einen strengen Blick, bestehend aus zwei Teilen Verärgerung und einem Teil väterlichen Stolzes, zu. » Professor Lilly wird nicht immer da sein, um Sie zu retten.«
    »Ganz recht, Sir. Es tut mir leid, Sir.«
    Kopfschüttelnd verließ ihr Vater den Raum und nahm die Post mit, um sie in seinem Arbeitszimmer zu lesen und dann, so vermutete Lilly jedenfalls, ein Nickerchen zu halten.
    Francis sah Lilly
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