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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin
Autoren: Julie Klassen
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eine Handvoll hiervon, wie Mrs Mimpurse, die auf diese Weise mit leichter Hand Eintöpfe, Suppen und andere Gerichte komponierte.
    Wenn sie auf Marys altem Platz am Arbeitstisch stand, fühlte Lilly sich ihrer Schwester näher. Es machte ihr Freude und sie fand Trost darin, Teig zu kneten. Das war gar nicht so viel anders, als die Zutaten zu Tabletten zu mischen und dann die Tabletten zu schneiden.
    Trotzdem stellte sie überrascht fest, dass sie die Apotheke vermisste. Sie war sich nicht bewusst gewesen, welche Freude es ihr machte zu wissen, wie sie den Menschen helfen konnte – mit der gleichen Sicherheit, mit der Maude einen Pudding oder eine Pastete zusammenrührte. Francis hatte recht gehabt. Lilly vermisste sogar das Gefühl von Mörser und Stößel in der Hand. Irgendwann holte sie sich einen kleinen Mörser aus dem Laden, um darin Gewürze zu mischen. Als sie damit in die Küche des Kaffeehauses kam, sah sie, wie Maude sich auf die Lippen biss. Sie war aber zu gutmütig, um zu protestieren.
    Als Lilly um die Ecke des Pfarrhauses bog, verlangsamte sie wie gewöhnlich ihren Schritt. Beim Kaffeehaus angelangt, stieß sie die Tür auf und blieb erst einmal stehen, um die süßen, vertrauten Düfte tief einzuatmen. Frisch gemahlene Kaffeebohnen, Zimt, Muskat, Ingwer und Nelken.
    Gerüche wie zu Hause …
    Den Alligator vermisste sie nicht.

50

    LIEBSTÖCKEL
Ein bekanntes und hochgelobtes Heilkraut.
    Culpeper's Complete Herbal
    Lilly erinnerte sich ganz genau daran, obwohl es schon Jahre her war – denn sie erinnerte sich an alles.
    Sie erinnerte sich an den Tag vor über sieben Jahren, an dem Francis mit dem Kanalboot als seekranker Lehrling eingetroffen war. Damals hatte sie wie so oft auf der Honeystreet Bridge gestanden und jedes Boot, das vorbeifuhr, nach ihrer Mutter abgesucht.
    Auch jetzt stand sie wieder auf der Honeystreet Bridge. Es war ein lauer Frühlingsabend, vierzehn Tage, nachdem sie sich mit Mr Shuttleworth auf dem Grey's Hill unterhalten hatte. Zum letzten Mal , sagte sie sich. Zum letzten Mal suchen – nach Gottes Willen für die Zukunft suchen, ihre Erinnerung nach jedem einzelnen Moment absuchen, den sie mit Francis Baylor, Mary Mimpurse, ihrer Mutter und auch mit Roger Bromley und Dr. Graves verbracht hatte. Liebe und lieb gewordene Menschen, die sie verloren hatte. Und nun musste sie bald auch Mr Shuttleworth auf diese Liste setzen.
    Sie sah zu, wie sich von Osten her ein Lastkahn näherte, gefolgt von einem Kanalboot.
    Während der Monate, in denen sie versucht hatte, die Apotheke ihres Vaters weiterzuführen, hatte sie die Gewohnheit, hierher auf die Brücke zu kommen, aufgegeben; sie hatte einfach keine Zeit dafür gehabt. Jetzt schien sie auf einmal sehr viel Zeit zu haben.
    Habe ich das wirklich? , überlegte sie. Früher dachte sie, sie hätte alle Zeit der Welt, um die Welt zu sehen und zu genießen. Jetzt wusste auch sie, was weisere Menschen schon lange wussten: Kein Mensch besitzt das Versprechen, dass ihm die Welt oder auch nur der morgige Tag gehören wird.
    Lilly hatte sich nach Reisen und Abenteuern gesehnt, weit weg von Bedsley Priors. Aber Tod und Verlust hatten ihre Sicht verengt. Ihr Teleskop war nicht mehr auf den Horizont gerichtet, sondern auf das, was ihrem Herzen am nächsten stand und das Liebste war. Der Rest war einfach nur Wasser, das gekocht wurde und verdampfte – es mochte das Glas beschlagen und eine Zeit lang den Blick trüben, doch am Ende verschwand es wieder und ließ nur die reinste Essenz des Lebens zurück: Familie. Glauben. Freunde und Nachbarn. Gesundheit. Dinge, für die Mary ihren letzten Atemzug gegeben hätte und vielleicht sogar gegeben hatte.
    All das sagte sich Lilly wieder und wieder, aber tief in ihrem Innern wusste sie – dass ihr Herz nie über den Verlust hinweggekommen war. Über den Verlust des einen, der sie verlassen hatte. Sollte sie nach London zurückgehen und erneut eine Suche beginnen? Nein. Sie musste loslassen. Wieder einmal.
    Der Lastkahn fuhr unter der Honeystreet Bridge hindurch. Durch die Kohle, die er geladen hatte, hatte er großen Tiefgang. Jemand aus der Mannschaft hob den Hut und grüßte Lilly und sie neigte ebenfalls grüßend den Kopf. Sie wusste, dass sie eigentlich keine Zeit mehr hatte. Ihr Vater und Mrs Mimpurse hatten ein paar Nachbarn zu einer Partie Whist und Tee eingeladen – ein inoffizielles Signal für das Ende ihrer Trauer – und Lilly sollte sich ihnen anschließen.
    Jetzt näherte sich das
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