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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin
Autoren: Julie Klassen
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jetzt, angesichts dessen, was geschehen ist, allerdings recht töricht vorkommen. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen.
    Ich bin fleißig am Lernen hier in London, denn ich möchte voll approbierter Apotheker werden. Nach dem Apothekergesetz muss ich ein Zeugnis von der Prüfungskommission haben, um als Apotheker arbeiten zu dürfen. Ich habe Ihnen nichts von meinen Plänen gesagt, weil ich keineswegs sicher war, dass ich mir die Ausbildung würde leisten können und vor allem, ob ich die Prüfungen bestehen würde. Sie wissen ja, ich war nie ein besonders guter Schüler …
    »Unsinn«, flüsterte sie. »Das war doch nur, als du ein Junge warst. Als du dir noch keine Mühe gegeben hast!«
    Aber jetzt weiß ich, dass ich bestehen werde. Außer der fünfjährigen Lehrzeit bei Ihrem Vater sieht das neue Gesetz Unterricht in Anatomie, Botanik, Chemie, materia medica und Physik vor. Hinzu kommt ein sechsmonatiges Praktikum in einem Hospital. Zurzeit absolviere ich Letzteres, und zwar im Guy's Hospital. So Gott will, werde ich eines Tages mein eigenes Schild aufhängen. Können Sie sich das vorstellen? Manchmal sehe ich Dr. Graves, wenngleich er natürlich Lehrer ist, ich dagegen nur Lernender. Ich nehme an, seine Rückkehr nach London bedeutet, dass auch Sie bald hierher zurückkehren?
    Ich habe Ihren Rat befolgt und Mr Lippert und seinen Sohn und seine Tochter aufgesucht. Sie haben mich überaus reizend empfangen. Miss Lippert ist wirklich so entzückend, wie Sie es mir beschrieben haben, und ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, dass ich die Familie durch Sie kennengelernt habe. Ihre Gesellschaft hat mein Leben in London mit einer Gemütlichkeit und Geistesverwandtschaft bereichert, die ich hier nicht zu finden gehofft hatte. Mr Lippert hat mir sogar angeboten, mir seinen Laden zu verkaufen, und angedeutet, dass bei diesem Handel auch noch eine Ehefrau für mich mitenthalten sei. Aber er scherzt natürlich nur.
    Lilly atmete scharf ein. Tut er das w irklich ?, fragte sie sich.
    Francis schilderte seine Studien im Labor und im Garten der Apothekergesellschaft und beschrieb, wie er eine nach der anderen »die Stationen im Guy's durchlief«. Am Schluss teilte er ihr noch seine Adresse mit und fragte, wie es ihrem Vater ging, den er sehr herzlich grüßen ließ. An Mrs Mimpurse wollte er selbst schreiben.
    Der Brief war unterschrieben mit FB .
    Kein » in Liebe« , keine » lieben Grüße« , kein » herzlichst« . Sie spürte, wie ihre Hoffnungen schwanden. Aber was hatte sie erwartet nach so langer Zeit? Es war jetzt fast ein Jahr her.
    Trotzdem schrieb Lilly Francis an die Adresse, die er ihr mitgeteilt hatte, zurück. Sie schilderte ihm unter anderem auch die Symptome, an denen ihr Vater immer noch litt. Außerdem berichtete sie ihm so leidenschaftslos wie möglich vom Untergang der Haswell-Apotheke. Umso erstaunter war sie, als er ihr umgehend antwortete und vorschlug, ihr Vater solle nach London kommen. Thomas Bromley und ein Apotheker am Lehrkrankenhaus arbeiteten auf dem Gebiet der Drüsen- und Lungenfieber und könnten ihm möglicherweise helfen. Er schrieb, er hätte es schon früher vorgeschlagen, hätte jedoch gedacht, dass Charles Haswell niemals sein Geschäft so lange verlassen würde. Er bot ihm sogar an, bei ihm zu wohnen. Anscheinend besaß seine Wohnung eine kleine Kammer, die er umsonst nutzen konnte. Lilly dachte, er hätte einen Scherz gemacht, bezweifelte aber sowieso, dass ihr Vater bereit war, sich in ein Hospital zu begeben.
    Sie irrte sich.
    Schon nach wenigen Tagen hatten Lilly und ihr Vater beschlossen, nach London zu fahren. Tante und Onkel Elliott hatten Lilly schon mehrmals eingeladen und schrieben nun, dass sie entzückt seien, wenn sie bei ihnen wohnte. Sie könne bleiben, solange sie wollte, und Charles natürlich auch. Doch ihr Vater bestand darauf, sich gleich ins Hospital zu begeben. Er hatte es satt, krank zu sein, und wollte so schnell wie möglich mit der Behandlung beginnen.
    Lilly war erleichtert, dass sie nicht mitten in der Saison eintreffen würden, sondern im stilleren Herbst. Sie reisten mit der Postkutsche. Im Gasthof angekommen, nahmen sie gleich eine Droschke, die sie zum Guy's brachte.
    Lilly hatte sechs Monate lang Schwarz und Grau getragen, wie es der Brauch vorschrieb, wenn eine Schwester gestorben war. Doch jetzt, ein Jahr nach Marys Tod, hatte sie eines ihrer zurückhaltenderen Promenadenkleider aus ihrer Londoner Zeit angezogen. Es war nicht mehr modern und
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