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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin
Autoren: Johanna Marie Jakob
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er hinzu: »Der schmeckt allerdings grauenhaft.«
    Der Graf musste lachen. »Wenn es nicht schmeckt, mein Sohn, hilft es umso mehr.«
    Er strich seinem Ältesten kurz übers Haar und verließ beruhigt die Kemenate.
    »Wenn ich frische Blätter der Hundszunge hätte«, flüsterte Silas Judith zu, »könnte ich Sirup daraus fertigen. Der würde ihm besser schmecken.«
    »Sirup?«
    »Ja. Ich presse die Pflanzenteile aus und verrühre den Saft mit viel Honig. Das schmeckt süß, und es kann längere Zeit aufbewahrt werden.«
    »Wir könnten Vaters Schwester fragen, ob sie diese Pflanze kennt. Sie ist die weise Frau vom Straußberg.«
    Silas dachte nach. Dann nickte er.
    »Ich werde ihn fragen, ob wir zu ihr reiten dürfen.« Ohne seine Antwort abzuwarten, rannte sie dem Grafen nach. Als sie die Wendeltreppe herunterkam, hörte sie die Stimme des Kaisers. Sie blieb vor der letzten Biegung stehen. Schon oft hatte sie von hier aus die Gespräche der Männer belauscht, ohne selbst gesehen zu werden.
    »… morgen wieder aufbrechen. Ich muss rechtzeitig in Regensburg sein. Der Reichstag ist sehr wichtig für uns. Ich muss endlich diesen Zwist zwischen Heinrich dem Löwen und meinem Oheim beilegen. Das Land kann sonst nicht zur Ruhe kommen. Regelt Ihr ohne Eile Eure Geschäfte. Wenn ich Euch brauche, schicke ich einen Boten.«
    »Ich würde Euch auch nach Regensburg begleiten, Herr.«
    »Nein, es ist wirklich nicht nötig. Mein Kanzler Rainald von Dassel hat alles vorbereitet, er leistet hervorragende Arbeit. Doch ich bitte Euch, kümmert Euch eine Weile um meine Gemahlin. Sie ist sehr jung und bedarf noch etwas Reife.«
    »Ihr wollt sie zurücklassen?«
    »Ja, bis Oktober. Die Ehe kann ohnehin noch nicht vollzogen werden. Ihr habt zwei Jungfern im Haus, deren Gesellschaft ihr guttun wird. Und meine Tochter Isabella hat hier auch ein angemessenes Zuhause gefunden, wofür ich Euch sehr dankbar bin.«
    »Durchlaucht, es ist mir eine große Ehre.« Das Bodenstroh raschelte unter den Füßen, als die Männer aufstanden.
    »Die Kinder werden von Beatrix viel lernen können. Sie hat in Burgund eine ausgezeichnete Ausbildung gehabt. Für ihr seelisches Wohl lasse ich den Bischof Konrad zurück, zu ihm hat sie Vertrauen. Er ist ihr wie ein Bruder.«
    »Eine Bitte hätte ich noch …« Die Stimme ihres Vaters klang zögerlich.
    »Sprecht, alter Freund!«
    »Den Arzt – lasst ihn mir, bis mein Sohn genesen ist.«
    Der Kaiser lachte. »Traut Ihr Eurer Schwester nicht?«
    »Doch, natürlich. Aber sie kann nicht immer hier sein, und er ist mein Ältester …«
    »Also gut. Ich hoffe, ich werde ihn nicht benötigen.«
    Judith zog eine Grimasse. Er ist mein Ältester, äffte sie den Vater im Stillen nach. Allerdings – die künftige Königin im Unterricht, das versprach Abwechslung. Sie wusste, dass sie die langweiligen Stunden bei Pater Martinus Isabellas Anwesenheit verdankte, die als Tochter des Kaisers eine entsprechende Bildung erhalten sollte. Und Silas würde bleiben! Sie schickte ein kurzes Dankesgebet zum Himmel.
    Eine feuchte Hundeschnauze stupste sie ans Knie. Sie zuckte zusammen. Sida!
    Die Hündin wedelte mit dem Schwanz und schaute erwartungsvoll zu ihr auf. Hinter ihr stand Isabella und kicherte. »Du siehst aus, als gäbe es gute Nachrichten zu erlauschen. Was ist los?«
    »Du wirst schon sehen«, flüsterte Judith geheimnisvoll und grinste.
     
    In der Nacht erwachte sie von Keuchen und unterdrücktem Stöhnen. Sie dachte zuerst an ihren Bruder und sein verletztes Bein, doch dann erkannte sie Katharinas Stimme. »Herr im Himmel, hilf!«
    Judith kletterte aus dem Bett. »Katharina, was ist?«
    »Kind, schlaf weiter, es ist nichts!« Die Worte quälten sich aus ihrem Mund, als hätte sie Haferbrei zwischen den Zähnen.
    »Du bist krank. Ich werde den Mauren holen.«
    Mit einem Wimmern fuhr die Amme auf. »Untersteh dich! Dieser Sohn des Teufels kommt nicht an mich heran! Wenn es morgen nicht besser ist, schicke ich nach der weisen Frau. Und jetzt geh zu Bett.«
    Vorsichtig legte sie sich wieder neben Beringar und zog die Decke über die Ohren. Die Klagegeräusche wollten jedoch nicht verstummen. Nachdem sie eine Weile hin und her überlegt hatte, fasste sie einen Entschluss. Sie wickelte sich in ihren Umhang und schlich aus der Kemenate. An der Treppe nahm sie eine Fackel aus der Halterung, mit deren Hilfe sie die Schlaflager an den Wänden des Saals ausleuchtete. Der säuerliche Geruch von abgestandenem Wein, kaltem
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