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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin
Autoren: Johanna Marie Jakob
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Rauch und menschlichen Ausdünstungen erfüllte den Raum. In der Nähe des Kamins schliefen die Vasallen ihres Vaters. Sie erkannte zuerst den dicken Erwin von Tonna. Er prustete laut bei jedem Atemzug. Etwas weiter hinten beim Eingang lagen die Knechte, die nicht im Stall bei den Pferden schliefen, der Koch und der Küchenjunge.
    Dort, das musste der Maure sein. Sie stolperte hart über einen Fuß, ein verschlafener Fluch war die Antwort. Es war ein fremder Ritter aus dem Gefolge des Kaisers, der sich in seinen Umhang gerollt hatte und sie erschrocken anblinzelte, als ihm das heiße Licht der Fackel über das Gesicht fuhr. Mit einer hastig gemurmelten Entschuldigung suchte Judith weiter. Links fand sie die Lager der Wachleute. Einer von ihnen schreckte hoch, als ihm ein Funke auf die Hand fiel. Doch wo der Maure schlief, das wusste er nicht. Mürrisch drehte er sich zur Wand und zog seinen Mantel über die Ohren. Schließlich stand sie vor der Tür, die zum Schlafgemach des Grafen führte. Den Vater stören? Noch nie hatte sie das gewagt. Schweren Herzens schob sie den Riegel beiseite und schlich hinein. Lautes Schnarchen drang ihr entgegen. Im flackernden Licht der Fackel tappte sie vorwärts und stolperte über ein Nachtgeschirr. Es schepperte kurz, ein heller Lockenkopf fuhr auf und sah in ihre Richtung. Die Magd Gerlind!
    »Was macht Ihr hier? Ist etwas passiert?«, flüsterte die junge Frau und schwang die Beine aus dem Bett. Hinter ihr setzte das Schnarchen wieder ein.
    »Katharina! Sie ist krank. Ich wollte den Mauren holen, aber ich kann ihn nicht finden.«
    »Wartet, ich komme.« Die Magd griff nach ihrem Umhang und schob sie vor sich her zur Tür hinaus.
    Am Lager der Amme wirkte sie genauso hilflos wie Judith. »Mitten in der Nacht können wir die weise Frau nicht holen. Ich werde dir einen Pfefferminzaufguss bereiten. Damit musst du bis morgen aushalten.«
    Katharinas Gesicht glänzte vor Schweiß. Sie nickte mühsam. Ihre Augen waren vor Pein weit aufgerissen, um die Iris herum schimmerten sie gelblich.
    Judith zog Gerlind beiseite. »Wir müssen den Arzt finden, er kann ihr sofort helfen«, flüsterte sie.
    »Aber das wird sie auf keinen Fall zulassen. Sie glaubt, er ist des Teufels.«
    »Ich weiß, doch sie wird gar nicht merken, dass er es ist, der ihr hilft.
Wir
werden tun, was er uns aufträgt.«
    Die Magd zog die Stirn kraus.
    »Ich habe ihm bei der Behandlung meines Bruders geholfen«, sagte Judith energisch.
    Hinter ihnen stöhnte Katharina qualvoll auf.
    Gerlind seufzte. »Na gut, besser als gar nichts zu tun ist es allemal.« Im Saal weckte sie den ältesten der Knechte. »Ruppert, du musst uns den Mauren herbeischaffen. Beeil dich, es geht um Leben und Tod. Er soll seine Kräuterkiste mitbringen.«
    Der Alte humpelte los. Der Lichtschein seiner Fackel zuckte über den Hof und verschwand unter dem Torhaus vor der Zugbrücke. »Wo er wohl steckt?«, murmelte Judith, die dem Mann nachsah.
    »Ich glaube, er schläft im Pferdestall«, sagte Gerlind. »Er liebt sein Pferd über alles, wusstet Ihr das nicht?«
    In diesem Moment kam Silas durch das Tor. Mit seinen schnellen und geschmeidigen Bewegungen glich er einer jagenden Wildkatze. Er winkte die beiden Frauen in die Küche, wo er in der Glut des Herdes eine weitere Fackel entzündete. Bei deren Licht öffnete er einen alten Lederbeutel und suchte zwischen den Leinensäckchen, die Judith bereits vertraut waren. Dabei murmelte er vor sich hin: »Lavendula, Milchdistel, Radi?« Er sah sie fragend an. »Ihre Augen sind gelb, sagt Ihr?«
    Judith nickte.
    »Gut, dann lieber kein Radi. Anthoskraut und Pfefferminze. Das dürfte genügen.« Mit geschickten Händen füllte er aus jedem der ausgewählten Säckchen ein gewisses Maß an Pflanzenteilen in eine Schale. Die reichte er an sie weiter, zusammen mit dem Mörser aus Holz.
    »Zerstoßt sie fein. Und du, Magd, bringst Wasser zum Kochen.«
    Hastig zerstieß Judith getrocknete Blüten und Blätter, die einen aromatischen Duft ausströmten. Nachdem Gerlind das Feuer entfacht hatte und in einem kleinen Kessel das Wasser brodelte, bat Silas um eine Handvoll Hafer. Dann wies er Judith an, die Kräuter in das heiße Wasser zu streuen. Die Hälfte der Flüssigkeit goss er über die Haferkörner, die den Sud aufsaugten und zu einer breiigen Masse wurden.
    »Den Tee gebt Ihr der Frau zu trinken. Sie muss alles zu sich nehmen, hört Ihr? Den Haferbrei schlagt in ein Tuch ein und legt ihn direkt auf die
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