Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
Vom Netzwerk:
Sportunterricht gekauft hat« wurden ersetzt durch »Das ist ein Helm für Autorennen. Aber ich werde ihn hier wohl nicht brauchen.«
    Was immer es war, das dort jenseits der Wand in seinem Zimmer vor sich ging - es war etwas viel Größeres, als festzustellen, dass andere Jungen keine Helme tragen
mussten. Wenn es wirklich vergessene Türen und geheime Städte gab und Karten und Bücher, in denen stand, wie man sie finden konnte, dann musste er das wissen. Er sah sich auf der hoch stehenden, taufeuchten Wiese um und für einen kurzen Moment nahm er kein Gras wahr. Stattdessen sah er Millionen schmaler grüner Halme aus Sonnenlicht und Luft, die sich zum Boden hin verdickten und leise säuselten und die an seinen mittlerweile nassen Füßen kitzelten und dabei in einem fort unhörbar Leben aus der Erde in sich aufsogen. Jeder Halm war ein Kind ohne Helm, ein Kind, das wusste, wie die Dinge liefen.
    Über ihm blinkten lachende Sterne. Galaxien sahen auf ihn herab, stießen einander an und kicherten leise.
    »Er wusste nichts von geheimen Städten«, sagte Orion. »Seine Mutter hat ihm nie davon erzählt.«
    Der Große Bär grinste. »Hat sein Vater ihm denn etwas von vergessenen Türen gesagt?«
    »Kein Wort.«
    »Von Journalen und Aufzeichnungen?«
    »Nur im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Projekten und Fahrradreisen.«
    »Karten?«
    »Höchstens geografischer Art. Oder solche, in denen Länder nach ihren Hauptexportartikeln oder Bodenschätzen in Farben aufgeteilt sind.«

    »Nichts mit ›Hier Drachengebiet‹ an den Rändern?«
    »Nie. Er hat einen verborgenen Schrank mit Kompassschlössern entdeckt, und wisst ihr, was er geglaubt hat, was darin sein könnte?«
    »Das Horn eines Einhorns?«
    »Socken.«
    »Socken?«
    »Oder auch Stifte.«
    »Stifte?«
    Henry seufzte. »Ich weiß noch nicht mal, wie man ein Kompass-Schloss bedient«, sagte er. Er stand auf und ging mit einem vertrauten Gefühl zurück zum Haus. Dem Gefühl von »Jetzt weiß ich es«. Das Gefühl, das bedeutet, dass du in dieser Nacht mit deinem Helm, einem Stapel Nachthemden und deinem Trostbären zum Mülleimer deines Schlafsaales schleichen wirst. Das Gefühl »Ab morgen werde ich ganz anders sein«.
    Henry ging in die Küche und sah sein Messer auf der Anrichte liegen. Er nahm es in die Hand und ließ es aufschnappen. Die frisch geschliffene Schneide grinste ihn an. Er hielt das Messer mit dem Daumen offen und schlich durch das Haus zurück in sein Zimmer.
     
    Der Wind rieb sich den Rücken an der Seitenwand der Scheune. Die Sterne schlenderten gemächlich über das Dach dieser Welt und das Gras wogte und wuchs, zufrieden,
der Teppich der Welt zu sein, und trotzdem davon träumend, größer zu werden.
    Oben in seinem Zimmer kniete Henry auf seinem Bett und kratzte mit seinem Messer den Putz von der Wand.
    Sein Daumen schmerzte.

VIERTES KAPITEL
    A ls es Tag wurde über Kansas, stahl sich Licht in das runde Giebelfenster. Es glitt über den Verdunster, breitete sich auf dem alten Fußboden aus und auf einem Stück Wand. Am anderen Ende des Dachbodens stand eine von Henrys Türen offen und das Licht tastete sich in das Halbdunkel hinein und verharrte an einem einsamen nackten Fuß. Wieder einmal war Henry bei eingeschaltetem Licht eingeschlafen. Wobei es dieses Mal weniger ein Einschlafen gewesen war als eher ein Zusammenbrechen auf dem Bett, als ihn der Schlaf übermannte.
    Du fällst, flüsterte das Licht dem Fuß zu.
    Henry zuckte zusammen, traf die andere Tür mit einem Tritt, dass sie aufsprang, und setzte sich auf. Er schielte ins Tageslicht und sah dann auf die Wand hinter sich. In den Ecken unter der Decke und hinter seinem Bett am Boden war der Putz noch dran. Aber rund
um die Kompass-Schlösser herum war die Wand freigelegt. Sie bestand von oben bis unten aus kleinen Türen und Fächern.
    Henry stand auf und eilte zur Treppe. So wie es aussah, hatte er ein Problem. Putzkrümel waren über das ganze Zimmer verstreut und klebten an seinen Händen und Armen. Er konnte den Putz schmecken, seine Nasenlöcher waren voll davon und seine Augen juckten. Und es war bereits Morgen. Vielleicht waren schon alle auf, und wenn er die Treppe herunterkam und wie ein mit Putz und Mörtelstaub verkleistertes Etwas aussah, würde er wohl nicht verbergen können, was er getan hatte.
    Henry stand am Kopf der Treppe und hörte das Ticken der Esszimmeruhr. Sonst hörte er nichts. Er betrat die erste Stufe. Sie knarzte, allerdings nicht allzu laut. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher