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Das Geheimlabor

Das Geheimlabor

Titel: Das Geheimlabor
Autoren: Gerritsen Tess
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kommen nach Washington.“
    Drei Wochen waren schon vergangen, seit Cathy zuletzt Victor gesehen hatte. Durch Jay Wallace in Washington hatte sie gehört, dass Victor ständig von Reportern und Bundesanwälten und Beamten des Justizministeriums umlagert wurde, wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigte. Niemand kam an ihn heran.
    Diese drei neuen Freunde waren ein Trost gewesen. Ollie hatte sich rasch erholt. Bei Polowski dauerte es länger. Noch eine Woche, sagten die Ärzte.
    Das Schweigen von Victor wäre zu erwarten gewesen, hatte Polowski erklärt. Absonderung von Zeugen. Schutzhaft. Das Justizministerium wollte einen wasserdichten Fall. Deshalb wurde der Hauptzeuge abgeschottet.
    „Sam, wir haben Ihnen etwas mitgebracht.“ Milo griff in seine Tasche. „Einen Kamm zum Blasen.“
    „Den habe ich wirklich gebraucht.“
    „Richtig.“ Ollie öffnete seinen Klarinettenkasten. „Da wir heute unsere Instrumente mitgebracht haben, wollten wir Sie nicht ausschließen.“
    „Das meinen Sie nicht ernst.“
    Milo streichelte seine Piccoloflöte. „Alle diese deprimierten Patienten müssen mit guter Musik aufgeheitert werden. Das ist jetzt unsere Aufgabe.“
    „Die brauchen Frieden und Ruhe!“ Polowski sah Cathy flehend an. „Das meinen die beiden doch nicht ernst.“
    Sie holte ihren Kamm hervor. „Todernst.“
    „Los, Jungs“, sagte Ollie. „Fangt an!“
    Nie zuvor hatte die Welt eine solche Version von „California, Here I Come!“ gehört, und wenn sie Glück hatte, würde sie auch nie wieder so etwas hören. Als die letzte Note verklang, hatten sich Patienten und Schwestern im Wintergarten versammelt, um die Quelle dieses schrecklichen Gekreisches aufzuspüren.
    „Also“, sagte Cathy. „Ich habe mein Teil zu der Aufheiterung beigetragen. Ich mache mich auf den Weg nach Mexiko.“
    „Was ist mit Victor?“ fragte Polowski. „Er wird Sie vermissen.“
    „Das glaube ich nicht.“ Cathy wandte sich ab. Sie liebte Victor.
    Aber sie erinnerte sich daran, wie oft er versucht hatte, sie wegzuschicken. Sie hatte schon einmal geliebt, und sie wusste, dass das Schlimmste, was eine Frau bei einem Mann erkennen konnte, Gleichgültigkeit war.
    Sie wollte diese Gleichgültigkeit nicht in Victors Augen sehen.
    Sie griff nach ihrer Handtasche und drückte Polowski einen Kuss auf die Stirn. „Erholen Sie sich! Das Land braucht Sie!“
    Polowski seufzte. „Wenigstens einer, der das einsieht.“
    „Ich schreibe aus Mexiko.“ Sie kam einen Schritt weit.
    Victor stand mit einem Koffer in der Hand in der Tür. „Was ist mit Mexiko?“
    „Du kommst gerade rechtzeitig“, sagte Ollie. „Sie will weg.“
    „Was?“ Der Koffer entglitt Victors Hand. Er sah sie betroffen an. „Du kannst nicht weg!“
    Sie räusperte sich. „Jack braucht mich. Sie filmen, und sie kommen nicht klar. Ich rufe dich an ...“
    „Er kann den Film ohne dich drehen.“
    „Ja, aber ...“
    Sanft, aber fest ergriff er ihre Hand. „Entschuldigt uns, Leute“, sagte er zu den anderen. „Die Lady und ich machen einen Spaziergang.“
    Draußen trieben Blätter über den winterbraunen Rasen. Victor blieb plötzlich stehen und zog Cathy zu sich herum.
    „Wie bist du auf diese verrückte Idee gekommen wegzugehen? Ich bin in diesem Hotelzimmer fast die Wände hochgegangen. Du hast keine Ahnung, welche Sorgen ich mir gemacht habe. Die Anwälte ließen mich nicht einmal telefonieren, bevor die Anhörung beendet war. Ich konnte nur daran denken, wie sehr ich dich vermisse!Bei der ersten Gelegenheit bin ich abgehauen, und hier bin ich. Offenbar gerade noch rechtzeitig.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Das kann nicht klappen.“
    Er ließ seine Hände sinken. „Die Nacht, in der wir uns geliebt haben“, flüsterte er. „Hat dir das nichts bewiesen?“
    „Aber das war nicht ich, die du geliebt hast. Du hast an Lily gedacht ...“
    „Lily?“ Er schüttelte verwirrt den Kopf.
    „Du hast sie so sehr geliebt. Ganz gleich, wie sehr ich mich auch bemühe, ich werde nie an sie heranreichen. Ich werde nicht klug genug sein oder gütig genug oder ...“
    „Cathy, hör auf.“
    „Ich werde nie sie sein.“
    „Ich will nicht, dass du sie bist! Ich will die Frau, die mit mir an Feuerleitern hängt, die mich von der Straße zieht. Ich will die Frau, die mir das Leben gerettet hat. Die Frau, die sich durchschnittlich nennt. Die Frau, die nicht weiß, wie außergewöhnlich sie ist.“ Er hob ihr Gesicht an. „Ja, Lily war eine wunderbare Frau, aber sie
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