Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geheime Verlangen der Sophie M.

Das geheime Verlangen der Sophie M.

Titel: Das geheime Verlangen der Sophie M.
Autoren: S Morgan
Vom Netzwerk:
können, nachdem ich ein so förderndes Elternhaus hatte, in dem alle dachten, ich sei eine Art Genie, weil ich gern las. Ich war weder die Hübscheste noch die Hellste in der Klasse, was aber ein Vorteil war, wie ich bald feststellte, denn die klügsten und hübschesten Mädchen schienen am meisten schikaniert zu werden. Stattdessen lernte ich viel und gewissenhaft  – Nebenprodukt eines angeborenen Bedürfnisses zu gefallen. Trotz der gelegentlichen Sorge, entweder meine Lehrer oder meine Eltern zu enttäuschen, ging ich im Großen und Ganzen gern in die Schule. Ich weiß, es klingt verrückt.
    Ironischerweise war ich in Liebesdingen eher ein Spätzünder.
Mit zwölf oder dreizehn bekam ich von einem Jungen, den ich über einen Freund kennengelernt hatte, meinen ersten Kuss, und ich muss ehrlich sagen, dass er mich nicht sonderlich beeindruckt hat. Da waren keine Donnerschläge, da ertönte keine romantische Musik, und hinterher war ich irgendwie deprimiert. Ich glaube, ich oder er sagte tatsächlich: »Na dann.« Also, weder seine noch meine Welt war in Brand geraten.
    Ich las die Mädchenzeitschriften Just Seventeen und Minx und wusste, wie Sex funktionierte, hatte damals aber noch kein Interesse daran, es auszuprobieren. Allerdings hatte ich herausgefunden, dass ich, wenn ich nicht schlafen konnte und mich mit der Hand zwischen den Beinen rieb, ein wohliges Gefühl bekam und eindöste. Und wenn meine Gedanken schweiften, während ich mir solcherart Lust verschaffte, drehten sie sich immer um dieselben Themen.
    Mythen und Legenden haben mir schon immer gefallen. Als Jugendliche war Robin Hood mein Favorit. Ich sah mir alle Filme und TV-Serien an (die jüngsten Verkörperungen dieser Figur werden wir übergehen, sonst fange ich an, mit den Zähnen zu knirschen) und las alle Bücher, die ich kriegen konnte, ob fiktional oder historisch. Aber egal ob Buch oder Film, ich hatte so meine Probleme mit Robins Braut Maid Marian. Ich konnte es nicht ausstehen, dass sie sich ständig aus irgendeinem dummen Grund in Gefahr begab und gerettet werden musste; dass sie nicht kämpfte und ihr nicht einmal die Würde zugestanden würde, ein redlicher Kumpan zu sein; dass sie den Großteil ihrer Zeit die Wunden der Merry Men verband und nachdenklich in die Ferne blickte, wenn die Männer in ein Abenteuer ritten.
    Trotzdem waren meine Lieblingsstellen in diesen Geschichten immer diejenigen, in denen sie in eben jene Gefahren geriet, für die ich sie verachtete. Als sie gefangengenommen wurde  –
als unvermeidlicher Köder in einer Falle, um Robin Hood zu fangen (anscheinend ihr Hauptzweck im Leben)  –, fachte ihr Widerstand gegen Guy von Gisborne und den Sheriff von Nottingham meine Fantasie an: Sie wurde in irgendeinem klammen Gelass festgehalten, die Bilder zeigen sie oft in Ketten oder Fesseln. Machtlos. Aber sie war unbeugsam, würdevoll in ihrer Unwürde, und irgendwie brachte das eine Saite in mir zum Schwingen, machte mein Herz rasen. So wie als Kind, wenn man etwas las oder sah, das sich einem so tief einprägte, dass man hineingezogen wurde, dass es in jenem Moment einem selbst geschah, dass man es am eigenen Leib erlebte und spürte. (Ich sage: »Als Kind«, doch sobald ich etwas Beeindruckendes sehe oder lese, überkommt mich noch immer dieses Gefühl, wenn auch seltener.) Jedenfalls waren alle Szenen, die ich im Kopf mit mir selbst in der Hauptrolle nachspielte, genau die Szenen mit Maid Marian, auch wenn sie eher blödsinnig war und ich dazu neigte, die dumpfen Stellen zu beschönigen, nachdem Robin sie gerettet hatte und sie wieder ins Lager zurückkehren musste, um das Feuer zu schüren. An solche Geschichten dachte ich, wenn ich nachts im Bett lag.
    Zumindest bis ich die Pornografie entdeckte.
    Als ich vierzehn war, machte eine Zeitschrift Furore, die zusammen mit ihrer monatlichen Ausgabe gratis ein erotisches Buch für Frauen herausgab. Ich hatte in meinem Zimmer kein Internet, wusste aber, dass dies der richtige Ort war, um sich erotische Inspirationen zu holen. Ich war jedoch nicht an Bildern von Möpsen interessiert, weil ich selbst welche hatte und sie auch nicht besonders geil fand. Doch dieses Buch war anders. Das ganze Gerede über den moralischen Niedergang und so weiter hieß, dass ich fast einen ganzen Monat lang verzweifelt versuchte, an ein Exemplar zu kommen. Langsam vermutete
ich, dass ich verdorbener war als meine Schulfreunde oder zumindest verdorbener, als sie es von sich selbst laut zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher