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Das geheime Verlangen der Sophie M.

Das geheime Verlangen der Sophie M.

Titel: Das geheime Verlangen der Sophie M.
Autoren: S Morgan
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von Natur aus widerspenstig war. Ich machte in aller Ruhe mein Ding, war aber nicht gerade erpicht darauf, Grenzen auszutesten, weil ich im Grunde ja tun durfte, was ich wollte, und weil ich nicht grundsätzlich streitsüchtig war. Das änderte sich zugegebenermaßen, als ich älter wurde.
    Schon früh entwickelte ich ein Interesse am Schreiben. Ich erinnere mich, dass ich in kleine Oktavhefte, die mit Aktenbindern zusammenhielten, Geschichten geschrieben und illustriert habe. Sie handelten hauptsächlich von Fernsehsendungen, Büchern und Filmen, die ich mochte. Ich konnte erheblich besser schreiben als malen, auch wenn das in diesem Alter wirklich nicht viel hieß. In jungen Jahren versuchte ich mich jedenfalls in Bildender Kunst, nachdem ich in den Nachrichten einen Bericht über ein frühreifes Kind gesehen hatte, dessen Werke sich für vierstellige Summen verkauften. Als ich dann ein paar Bilder in einer Mischtechnik aus Bunt- und Filzstiften hingeschmiert hatte, nahm meine Mutter geschmeichelt das erste Bild, das ich ihr schenkte, und ließ sich für ein zweites Original sogar fünfzig Pence abluchsen. Als ich den Preis dann aber auf zehn Pfund erhöhte, was ich unter den gegebenen Umständen berechtigt fand, reagierte sie mit einem liebenswürdigen, aber unbeugsamen Nein. So machte sie meine Zukunftspläne für ein Künstlerleben zunichte und zwang mich, wieder auf die Produktion
meiner Minibücher und Comics zurückzugreifen. Bei jeder Gelegenheit versetzte ich mich, meine Freunde und meine Familie in die Welt von Narnia, Mittelerde oder, etwas näher an zu Hause, aber irgendwie düsterer, nach Newcastle, nachdem ich diese Stadt im Kabelfernsehen in Jossy’s Giants entdeckt hatte, einer Serie über eine Jungenschul-Fußballmannschaft.
    Meine Vorliebe für diese Sendung und für Fußball im Allgemeinen erklärte sich durch meine stark ausgeprägte burschikose Seite. Ich war und bin sehr weit vom typischen Mädchen entfernt. Mein Abscheu vor Pink ist krankhaft, und ich habe noch nie Interesse an Make-up, teuren Kleidern und modischen Schuhen gehabt. In Pumps mache ich noch heute eine Figur wie Bambi, das versucht, übers Eis zu gehen. Doch weit mehr, als ich an Ausgaben für Schuhe spare, gebe ich für Nagellack und Handtaschen aus. In meiner Jugend hatte ich wahrlich keine Lust, mir wegen der Jungen Gedanken zu machen, denn ironischerweise hatte ich viele Freunde in der Schule, schließlich spielte ich in der Mittagspause gern Fußball mit ihnen  – und mit irgendwelchem Geplänkel gab ich mich schon gar nicht ab. Meine Lieblingsbeschäftigungen mit zehn Jahren waren Rollschuhfahren, Radfahren und auf den Baum hinten in unserem Garten klettern. Von dort hatte ich einen Blick auf die benachbarten Gärten  – aus Gründen, die mir damals sehr wichtig erschienen, eine Quelle unendlicher Faszination. Der Baum gehörte mir allein, meine Schwester hatte keine Lust auf die Kratzer und den Dreck, die man sich schon beim ersten Sprung zuzog, selbst mit meiner ausgeklügelten Springseil-Flaschenzug-Konstruktion, die einen auf den ersten begehbaren Ast beförderte. In vieler Hinsicht war ich ein einzelgängerisches Kind, ich fühlte mich allein mit mir selbst wohl, las und träumte vor mich hin  – wohl wenig überraschend angesichts des Bildes eines
eher ungeselligen Frauenzimmers, das ich von mir gezeichnet habe.
    Natürlich ist keine Frau allein auf der Welt, selbst wenn sie sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf einem Kirschbaum versteckt. Zu Hause war meine Schwester meine ständige Gefährtin und Mitverschwörerin, während ich in der Schule (bis ich elf Jahre alt war, ging ich in eine gemischte Grundschule, danach auf ein Mädchengymnasium) einen Freundeskreis aus Jungen und Mädchen hatte, mit denen ich zum großen Teil noch immer befreundet bin. Da ich eher mit Freaks verkehrte, die sich für Musik, Schauspiel und Technik begeisterten, gehörte ich nicht den beliebtesten Cliquen an, aber ich kam mit allen aus und entschärfte eventuell auftretende Probleme mit Humor. Im Gymnasium war ich eine sehr mittelmäßige Schülerin. Es dauerte eine Weile, bis ich mich, als eine der Cleversten in meiner Grundschulklasse, in den meisten Gymnasialfächern im Mittelfeld eingerichtet hatte. Das Lernen fiel mir nicht leicht, es machte mir Mühe. Gewissermaßen war es ein Kulturschock, der sich aber wahrscheinlich nicht zum Schlechtesten auswirkte, nahm er mir doch alle Frühreife, die ich mir hätte einbilden
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