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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen
Autoren: Ueberreuter
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in die Spitzen des schwarzen Schnurrbarts, den er sich hatte stehen lassen. Und er war nicht der Einzige, der sich verändert hatte. Es hatte ordentlich Unruhe unter der Dienerschaft des Schlosses gegeben, weil viele der Bediensteten um einen Wechsel ihres Aufgabengebietes gebeten hatten. Drei Kammerzofen arbeitetenheute in der Küche, eine Näherin und ein Zimmermann versorgten den Nutzgarten und die Hühner, zwei Wäschefrauen arbeiteten als Zofen, der Kellermeister reparierte alles, was aus Holz und Stein war, drei Stallburschen betätigten sich inzwischen als Kammerdiener und eine kleine Handvoll Bedienstete hatte unter großem Bedauern gekündigt und war zum Theater gegangen.
    Unter großem Bedauern unter anderem deswegen, weil das gesamte Schlosspersonal sich unter der mütterlichen Obhut der Königin wie im Paradies fühlte. »Geh zu Mama Fina und hol dir Rat«, hatte Pippa eine der Milchmägde zu einer Küchenhilfe sagen hören. Und der König wurde von den Stallburschen »der Prinzipal» genannt – und das war überaus respektvoll gemeint.
    Pippa löste sich von ihren Gedanken, denn der König bat gerade die Gäste um einen Toast.
    »... zum Grund unseres schönen Festes kommen«, dröhnte seine Stimme. »Erhebt euch also bitte und lasst unseren Ehrengast hochleben.«
    Stühlerücken, Stimmengemurmel, fragende Blicke. Pippa wollte ebenfalls aufstehen, aber Augustin drückte sie in den Sessel zurück.
    »Liebe Freunde, ein dreifaches ›Sie lebe hoch‹ für unsere geliebte zukünftige Schwiegertochter und Prinzessin von Almay, Vollmagierin der ersten Stufe, mutige Retterin unseres geliebten Königreiches, die heute ihren 18. Geburtstag feiert: Philippa Saffronia lebe hoch! Hoch! Hoch!«
    Verhaltener, dann immer lauter werdender Beifall, eine Fanfare, Hochrufe.
    Philippa schrumpfte in ihren Sitz und schlug die Hände vor das rot flammende Gesicht. »Du hättest mich warnen müssen«, jammerte sie leise.
    Augustin drehte sie zu sich, zog sie aus dem Sessel und küsste sie. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, flüsterte er. »Und jetzt verbeug dich, lächle und winke!«
    Die Kapelle stimmte einen Walzer an, der alles andere als feierlich und elegant, sondern eher schief und sehr fröhlich klang. Augustin nahm Pippa in den Arm und begann sich mit ihr zu drehen. Sie schloss die Augen, lächelte und dachte an ihren alten Traum, in dem sie in den Armen des Prinzen unter den Kristallleuchtern des Ballsaals tanzte. Aber das hier war sogar noch schöner als im Traum!
    Die Musik brach ab, eine erneute Fanfare ertönte, der Haushofmeister klatschte in die Hände und rief: »Die Torte!«
    Ein langer Zug weiß gekleideter Köche und Küchenhilfen kam durch den Zelteingang geschritten und trug eine Parade von köstlich anzusehenden Kuchen und üppig garnierten Torten, Schüsseln mit Sahne und Kompott, Platten mit Obst und Halbgefrorenem und dampfende Kannen mit Kaffee, Tee und Schokolade herein. Unter dem Beifall der Gästeschar paradierten sie einmal durch die Reihen und begannen dann die Anrichte an der Längsseite zu beladen.
    Als Letzter betrat ein riesiger Koch in einer blendend weißen Schürze das Zelt. In seinen Pranken trug er eine enorme Torte, die dem Schloss mit seinen beiden Türmen nachempfunden war. Obwohl die Torte höher warals ein großer Mann, trug er sie so mühelos, als handelte es sich um ein winziges Törtchen. Verblüffter Applaus begleitete seinen Auftritt.
    Pippa, der bei seinem Anblick der Atem stockte, löste sich aus Augustins Arm, stürzte zu dem Riesen hin und fiel ihm um den Hals. Er hob sie hoch, drückte sie an seine Schürze und tätschelte ihr voller Rührung den Rücken.
    Rufe des Erstaunens und der Missbilligung wurden durch das Aufkreischen übertönt, das aus der Nähe des Riesen ertönte. Die Umsitzenden sprangen vor Angst aus ihren Sitzen, weil sie befürchteten, unter Creme und Obst begraben zu werden wie beim Ausbruch eines Schlagsahnevulkans, wenn die turmhohe Torte zu Boden fiel.
    Aber die Torte fiel nicht, sondern schwebte friedlich einen Schritt neben dem riesigen Koch in der Luft, und ihre Kerzen brannten mit ruhiger Flamme weiter.
    »Ehrenwerter Liang Dong«, sagte der König lächelnd. »Wir sind höchst erfreut, dass du ab jetzt die verantwortungsvolle Position des Obersten Küchenchefs im Schloss übernimmst. Wir verneigen Uns vor dir und danken dir, dass du Uns und Unsere Untertanen vor einem schrecklichen Los bewahrt hast. Um diesem Dank angemessenen Ausdruck
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