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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen
Autoren: Ueberreuter
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Sie stellte den Teller vor Lene ab, reichte ihr das Besteck und wischte mit verbissener Miene über den sauberen Nachbarstisch.
    »Hrrrm«, räusperte sich der Krämer und rückte seinen Stuhl ins Licht. »Habt ihr schon gehört, was der Großherzog letzthin zu der Geschichte mit seiner Tochter gesagt haben soll?« Die Ablenkung funktionierte, sogar der Lehrer ließ erneut seine Zeitung sinken.
    »Erzähl schon, Leberecht«, forderte der Wirt ihn auf.
    Der Krämer gab ihm ein Zeichen, dass er ein Bier haben wolle. »Das war ja ein ordentlicher Skandal. Erst die gelöste Verlobung mit unserem lieben Kronprinzen und dann ist sie wirklich fortgelaufen.«
    Die anderen nickten ungeduldig. Die Geschichte hatte in der Residenz die Runde gemacht, als Mirabelle noch kaum aus der Tür des großherzoglichen Palais getretenwar, den Koffer in der Hand und die Wutschreie ihres Vaters hinter sich herziehend wie einen Kometenschweif.
    »Nun«, sagte der Krämer und nahm einen genüsslichen Schluck von seinem Bier. Er wischte sich den Schaum vom Mund und fuhr fort: »Er soll sich mit ihr versöhnt haben. Aber sie kommt nicht zu ihm zurück. Sie soll gesagt haben, dass sie sehr glücklich ist und nun genau das tut, was sie immer tun wollte.« Seine Augenbrauen hüpften vielsagend an seiner kahlen Stirn auf und ab.
    Wirt und Wirtin wechselten Blicke. »Wie unangenehm für den Herrn Großherzog«, sagte der Wirt.
    »So romantisch«, erwiderte die Wirtin. »Fast wie im Theater.«
    »Wie kann man so eine Partie ausschlagen?«, murmelte Lene und steckte den letzten Bissen ihres Spiegeleis in den Mund. »Den Kronprinzen zu verschmähen, nur um ...«
    Sie unterbrach sich, weil erneut die Tür aufsprang und jemand in die Gaststube schaute. Ein junger Mann, einfach und sauber gekleidet, ein Schreiber oder Kalfaktor. Er entbot einen höflichen Gruß und zog ein ebenso schlicht gewandetes Mädchen an der Hand hinter sich her, das knickste und verschämt das Gesicht hinter der Hand verbarg. Rotblondes Haar leuchtete in der Sonne, ehe die Tür wieder zufiel und das angenehme Dämmerlicht zurückkehrte. »Ach«, sagte die Wirtin, »oh, oh. Ich, wir … Ach du Schreck.« Sie verschwand in der Küche und knallte die Tür zu.
    Der Gendarm knöpfte hastig seinen Kragen wieder zu, trank sein Bier aus, setzte den Helm auf, sagte: »Ich muss dann wieder …«, marschierte zur Tür, wobei er am Tisch der beiden jungen Leute eine zackige Verbeugung vollführte, wünschte einen Guten Tag allerseits, hätte beinahe die Hacken zusammengeknallt und salutiert, konnte das im letzten Moment noch in ein verlegenes Winken und Füßescharren verwandeln, stolperte über die Schwelle und war fort.
    Der Wirt räusperte sich und sagte: »Darf ich den Herrschaften etwas zu trinken bringen?«
    »Ein Bier bitte«, sagte das Mädchen und zwinkerte dem Lehrer zu, der verstohlen lächelte und zurückzwinkerte. »Du auch, Gustl?«
    »Ich mag kein Bier«, erwiderte der junge Mann ernsthaft. »Ein großes Glas Wasser für mich bitte, Herr Wirt. Schön kalt, wenn es geht.«
    Der Krämer, der sich halb aus seinem Sitz erhoben hatte, ließ sich wieder zurücksinken. »Der gnädige Herr Vater und der Herr Onkel sind auch des Öfteren hier anzutreffen«, sagte er zu niemand Bestimmtem. »Ich habe schon die eine oder andere Partie Krabbe und Wiesel gegen den ehrenwerten Herrn Vater verl... gewonnen.«
    »Halt den Mund, Leberecht«, sagte der Wirt und servierte die Getränke. »Wenn du nicht respektierst, dass jemand inkognito – also, dass meine Gäste auch eine Privatsphäre ... also, halt einfach den Mund, Leberecht!«
    »Er hat recht«, mischte sich der Fuhrmann ungefragt ein. »Der Herr Hofzauberer kommt ja auch immer in Verkleidung hier herein, wenn er uns fragen will, waswir über unseren lieben König denken. Das ist eben so bei den vornehmen Herrschaften, Leberecht. Das muss man respektieren.«
    Der Krämer grummelte gekränkt und senkte seine Nase in seinen Bierkrug.
    Der Lehrer nickte zum Nachbartisch hinüber und fragte: »Darf ich mich einen Moment zu euch setzen?«
    Das Mädchen lächelte und deutete einladend auf den freien Stuhl. Der Lehrer ließ sich darauf nieder und sagte: »Ich gratuliere zu der bestandenen Prüfung, Philippa Saffronia. Wie ich gehört habe, hast du mit Auszeichnung abgeschlossen?«
    Das Mädchen errötete sacht. »Ach, ich hatte doch nur gute Ausbilder«, wehrte sie ab. »Mein Buckelhorn-Prüfer hat gesagt, er erkenne Ihre bewährte Handschrift,
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