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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen
Autoren: Ueberreuter
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Schnurrbart, eine lange Peitsche, und sein Auftreten sorgte für Furore unter den Zuschauern. Pippa kniff Liang Dong aufgeregt in den Arm.
    »Verehrtes Publikum«, donnerte König Ferdinand, »ich habe die Ehre und das Vergnügen, euch den Großen und Unvergleichlichen Renzo anzukündigen – und seine bezaubernde Assistentin! Applaus für Renzo und Belle Marie!«
    Das Publikum klatschte erwartungsvoll. Der Vorhangwurde mit gekonnter Routine von zwei Kammerdienern aufgezogen, rauschte zur Seite, verschwand in der Gasse.
    Auf der Bühne war es nachtdunkel. Pippa pfiff leise durch die Zähne. Das war ein schwieriger Zauber, wenn er unter freiem Himmel bei strahlendem Sonnenschein ausgeführt werden musste. Wer auch immer der Große Renzo war – er verstand sein Handwerk.
    Ein Lichtkegel blendete auf und riss einen scharfen Kreis auf den Bühnenboden. Darin stand der Magier und sein rotes Haar leuchtete geheimnisvoll im Licht. Er trug einen schwarzen Frack, einen weiten, violett gefütterten Umhang und hielt seinen Zylinder in der Hand, aus dem ein Rosenbusch zu wachsen begann. Der Busch wuchs höher und höher empor, die Rosenknospen sprangen auf – rot, weiß und gelb – und dufteten betörend. Pippa seufzte und gruselte sich ein wenig. Sie hatte ihren Vater oft so dastehen sehen und es war immer schrecklich und böse gewesen. Sie rückte ein wenig näher an den Dschinn heran, der beschützend einen Arm um sie legte.
    Dann vergaß sie ihre bösen Erinnerungen. Die Rosen blühten weit auf und ließen ihre Blütenblätter fallen. Im Niederregnen verwandelten sich die Blätter in Funken und Geglitzer, das emporstieg, wieder herabsank, herumwirbelte und über die Bühne tanzte. Staunende Rufe aus dem Publikum begleiteten das funkelnde, glitzernde Schauspiel.
    Der Busch hatte sich völlig aufgelöst, nur noch die Glitzerfunken waren da. Sie verdichteten sich an einer Stelle der Bühne neben dem Magier, und aus dem Gefunkeltrat eine junge Frau, winkte, warf Kusshände, klimperte mit den Wimpern und lachte strahlend ins Publikum. Die Funken tanzten um sie herum, formten ein enges, glitzerndes Mieder, einen kurzen, schimmernden Rock, funkelnde Strumpfhosen und lange glitzernde Handschuhe. Belle Marie, die Assistentin des Zauberers, knickste und nahm seinen Umhang und den Zylinder entgegen.
    Pippa hatte jede Beklommenheit verloren. Sie klatschte begeistert und rief: »Bravo, bravo, Marie-Belle!«
    Nummer um Nummer, Trick für Trick zauberten sich Magier und Assistentin durch ihren Auftritt. Pippa beugte sich vor und verlor sich in der altvertrauten Routine. Jeden dieser Tricks, jede dieser Nummern beherrschte sie im Schlaf, aber sie hatte sie noch nie als Zuschauerin miterleben dürfen. Mit jeder Nummer, die die beiden auf der Bühne absolvierten, fiel ein Stück einer Last von Pippa ab. Sie fieberte mit bei der vertrackten Hutvertausch-Nummer, die Marie-Belle, Belle Marie, Mirabelle mit Bravour hinter sich brachte; sie schwitzte ein wenig, als die Assistentin im Chinesischen Schrank verschwand und in einem anderen Kostüm wieder hervorkam, sie zitterte und biss auf ihren Daumenknöchel, als die Durchbohrte Jungfrau angekündigt wurde.
    Und sie klatschte wild und begeistert Beifall, als endlich Zauberer und Assistentin Hand in Hand zur Rampe kamen und sich verneigten – vor ihr verneigten. Mirabelle zwinkerte ihr zu, und Laurentio, der eigenartig erleichtert aussah, lächelte und warf die Kusshände, die zu verteilen sonst Aufgabe der Assistentin war. Dannschloss sich der Vorhang wieder, und auf der Vorbühne führten einige Artisten – Stallburschen, Diener, Zofen und Küchenmädchen – ihr Können vor, schlugen Räder und Flickflacks, verdrehten und verknoteten ihre Glieder, jonglierten mit allen möglichen Gegenständen.
    Pippa lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Alles war gut.
    Dann hörte sie das Gelächter und staunende Ausrufe der Zuschauer, blickte zur Bühne und stöhnte auf. Zwei Clowns trieben dort ihren Unsinn, und sie kannte alle beide nur zu gut. Ein kleiner Schauder lief ihr über die Arme. Aber da war nichts Böses oder Ungutes zwischen dem Weißclown und dem dummen August, nur Albernheit, schräge Scherze, schiefe Quietschtöne einer Ziehharmonika, rutschende Hosen, Gestolper und Geschrei und viel Gespritze mit Wasser. Das hochgeborene, königliche Publikum schrie vor Lachen und amüsierte sich wie die einfachsten Zuschauer vom Dorf.
    Pippas Anspannung wich erst, als die beiden
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