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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk
Autoren: Barbara Vine
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unbeschwerten Jahren durchaus zuzutrauen gewesen. Ich könnte ihn mir gut bei einem Säbelduell vorstellen – oder vielmehr hätte ich mir das bei dem alten Ivor vorstellen können. In Ramburgh richtete er sich auf ein ruhiges Leben ein. Er las viel, beschäftigte sich mit Recherchen für eine Biographie über Lord Palmerston und hatte zum Wochenende und in den Ferien alte Freunde zu Gast, die er großzügig, aber nicht verschwenderisch bewirtete. Juliets Tochter – ich schreibe sie der Mutter zu, so wie Evelyn Waugh es laut Ivor immer tat – kam im Herbst ihres ersten Jahres in Ramburgh zur Welt, ihr Sohn ein Jahr und einen Tag nach den Parlamentswahlen, in denen Labour sich über einen Erdrutschsieg freuen konnte. Auch wir bekamen in jenem Jahr unser viertes und letztes Kind, ein Mädchen, das wir Isabel nannten, während Ivor und Juliet ihren Kindern die untadelig konservativen Namen Lucy und Robert gaben.
    Zwei erstaunliche Zufälle – oder eher Vorfälle – sind aus jenen Jahren zu vermelden. Hannah, die Schulfreundin meiner Tochter Nadine, hat einen achtzehnjährigen Freund, der Justin Furnal heißt. Es muss der Nämliche sein. Philomena Lynch hat vor fünf Jahren groß im Lotto gewonnen und laut Evening Standard von der Hälfte des Gewinns das Haus in Hampstead Garden Suburb gekauft, das einmal Damian und Kelly Mason gehörte. Wieder grub der Standard die schmutzigen Einzelheiten über Ivor und Hebe, die Masons und das Geburtstagsgeschenk aus, aber Ivor saß in Norfolk und blieb davon verschont.
    Dermot starb in jenem Haus etwa ein Jahr, nachdem seine Mutter es gekauft hatte. Danach stellte Ivor die Unterstützungszahlung ein. Sie und Sean hatten das Geld nicht mehr nötig. Sean hat geheiratet und führt, soweit man weiß, ein mustergültiges Leben. Wie es Sheila Atherton, Erica Caxton und den Trenants ergangen ist, weiß ich nicht. Nicola Ross ist mit einem polnischen Grafen verheiratet und hat, wie Ivor, zwei Kinder. Aber lange vorher, Anfang 1995, fand die Polizei Jane Athertons Mörder.
     
    Wenn man bedenkt, dass sie damals Janes Tagebuch bereits seit mehreren Monaten hatten, haben sie sich Zeit gelassen. Vielleicht reichte das Beweismaterial nicht aus, um ihn zu verhaften, aber war Jane denn nicht vergewaltigt worden? Hätte sich da seine Schuld nicht durch Tests zweifelsfrei nachweisen lassen? Allerdings bin ich in diesen Dingen so ahnungslos wie wohl die meisten gesetzestreuen Bürger.
    Gegen den Mann wurde Anklage erhoben, im Februar wurde der Fall in der ersten Instanz verhandelt, und im Dezember kam er vor den Central Criminal Court. Niemand, der auch nur entfernt mit der Sache befasst gewesen war, hatte jemals von diesem Mann gehört, die einzige Erwähnung fand sich in Janes Tagebuch. Es war Stuart Thomas Higgs, Fensterputzer aus Kensal Rise.
    Beim Prozess kamen Einzelheiten über seine Beziehung zu Jane heraus. Im Auftrag der Hausverwaltung hatte er in dem Wohnblock, in dem auch Jane lebte, regelmäßig innen und außen die Fenster geputzt. Sein Verteidiger ließ durchblicken, sie habe ihn wohl sehr ermutigt, was die Tagebuchaufzeichnungen nicht belegen. Sie scheint sich ihm schließlich aus Verzweiflung zugewandt zu haben, als ihre letzte, einzige Hoffnung auf Liebe und menschliche Wärme. Sie gingen zusammen in ein Pub, wo sie wohl ziemlich viel tranken, danach nahm sie ihn mit zu sich. Fest steht, dass er mit ihr die Wohnung betreten hat. Sein Verteidiger erklärte, sie habe eingewilligt, Sex mit ihm zu haben, es sich dann aber anders überlegt. An das, was danach geschah, kann sich Higgs nicht erinnern. Er habe plötzlich mit einem von Janes Küchenmessern in der Hand in einer Blutlache neben ihr auf dem Bett gelegen.
    Higgs wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt mit der Empfehlung, ihn mindestens fünfzehn Jahre seiner Strafe verbüßen zu lassen. Er müsste bald wieder frei sein.
     
    Fragezeichen bleiben. Hätte Jane wirklich versucht, Ivor zu erpressen? Sie muss an eine große Summe gedacht haben, wenn sie den Rest ihres Lebens davon hatte leben wollen. Sie schien sehr entschlossen. Hätte Ivor ihr gegeben, was sie verlangte? Ich habe nie mit ihm darüber gesprochen. Soweit ich weiß, ahnt er nichts von dem Tagebuch. Juliet hat es gelesen, würde ihm aber nie davon erzählen, und das gilt auch für Iris und mich. Warum hat Dermot Lynch mit überhöhter Geschwindigkeit auf jener Kreuzung in Hendon eine rote Ampel überfahren? Als ich die Geschichte – stark verfremdet und mit
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