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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk
Autoren: Barbara Vine
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seiner Jackentasche das Ding, das er geholt hatte.
    »Wenn nicht, habe ich dies hier zufällig aus meinem Privatschließfach mitgebracht. Ich lege es hier in die Schublade, da ich sie morgen mit aufs Land nehmen will. Sie ist geladen.«
    »Danke«, sagte Penberthy.
    Ich las den Roman – übrigens eine durchaus spannende Lektüre – zu Ende und ging wieder nach oben. Iris schlief immer noch nicht, eins der Kinder – Adam – war zu ihr ins Bett geklettert. Sie lagen eng umschlungen da und sahen bezaubernd aus. Es war zehn nach vier. Ich trug Adam zurück in sein eigenes Bett und fragte Iris, ob wir früh bei Ivor anrufen sollten oder ob ihm das nur lästig wäre. Wenn ein uns nahestehender Mensch in so einer Lage ist, möchten wir nicht, dass er meint, wir würden ihn allein lassen oder er sei uns gleichgültig. Wir riefen an. Er habe etwas geschlafen, sagte er, länger als gedacht sogar, und sei frisch und ausgeruht aufgewacht, von Kater keine Spur.
    »Ehe ich ins Unterhaus gehe, trinke ich nichts mehr, erst hinterher.«
    »Und du rechnest bestimmt damit?«
    »Ganz bestimmt. Wie es der Zufall will, muss ich selbst eine Erklärung abgeben, und während ich noch am Rednerpult stehe, wird ein Hinterbänkler von der Opposition mich fragen, ob an Menhellions Story etwas Wahres ist. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
    »Und was wirst du sagen?«
    »Keine Ahnung – oder doch, ich werde wohl die Wahrheit sagen, es geht nicht anders. Im Parlament Lügengeschichten zu erzählen – auf so etwas Schäbiges lasse ich mich nicht ein. Ich werde die Wahrheit sagen, aber nicht unbedingt die ganze.«
    »Und wird die ganze Wahrheit herauskommen müssen?«
    »Ich glaube nicht, Rob. Nein, ich glaube nicht, dass sie die ganze Wahrheit je erfahren werden.«
    Da hätte ich hellhörig werden, da hätten bei mir die Alarmglocken schrillen müssen. Ich hörte mir die Today-Sendung auf Radio Four an. Dort ging es volle fünf Minuten um die Lynchs, die Furnals und Jane Atherton. In einem Nebensatz hieß es, dass Ivor Tesham, der für die Luftwaffe im Ausland zuständige Staatsminister, wohl in Erklärungsnot geraten werde und dass man ihn in die Sendung eingeladen habe, er aber nicht gekommen sei. Ich hörte mir das alles an, dann ging ich ins Büro. Dort las ich einen Teil der Morgenzeitungen. Sie waren voll von Storys zum Thema, informierten ihre Leser unter anderem über die Lebensgeschichten der Lynchs und die Einzelheiten, die Sheila Atherton über die Schul- und Studienzeit ihrer toten Tochter zum Besten gegeben hatte, über einen Freund namens Callum und einen zweiten, den Sohn eines wohlhabenden Glasfabrikanten. Gerry Furnal hüllte sich weiter in vornehmes Schweigen. Was sich die Presse dabei dachte, ein großformatiges Foto seiner neugeborenen Tochter zu veröffentlichen, ist mir schleierhaft. Möglich, dass die ansonsten schweigsame und zurückhaltende Pandora es in ihrem Mutterstolz der Zeitung überlassen hatte.
     
    Ich hätte ohne weiteres herausfinden können, was genau sich an jenem Tag im Unterhaus abgespielt hat, verzichtete aber darauf. Bis am nächsten Tag die Zeitung kam, hielt ich die Spannung kaum mehr aus. Kannte Ivor die Frage, die der Labour-Hinterbänkler Mark Saddler ihm zu stellen gedachte? Muss man so eine Frage offiziell einbringen, oder kann man sie einfach so stellen? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, was Ivor sagte, denn seine Antwort machte Schlagzeilen, sie war im Fernsehen und im Radio, sie war überall.
    Saddler war ein Royalistenfresser und wohlbekannt für seinen ätzenden Witz. Wenn bei der feierlichen Parlamentseröffnung der »Black Rod«, ein hoher Beamter, den Unterhausabgeordneten verkündete, Ihre Majestät wünsche sie im House of Lords zu sehen, hatte er regelmäßig eine despektierliche Bemerkung auf Lager, mit der er die Monarchin wegen ihrer Ausgaben oder der Lebensführung ihrer Kinder attackierte. Er war ein berüchtigter Störenfried, ein enfant terrible.
    Bis zum Nachmittag hatte es sich wohl herumgesprochen, dass etwas Brisantes im Busch war. Der Saal war brechend voll, kein einziger Platz war auf den mit gestepptem grünem Leder bezogenen Bänken mehr frei. Nachdem Ivor seine Erklärung verlesen hatte – irgendetwas Prosaisches über die Kosten eines Zwischenfalls im Balkankrieg –, stand Saddler auf und fragte, ob er etwas zu den Konsequenzen eines Artikels in der heutigen Times zu sagen habe. Vermutlich rechneten alle damit, dass Ivor Ausflüchte machen,
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