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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen
Autoren: Marcia Muller
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mit einem
kleinen Samtkästchen, das einen billigen Ehering enthielt. Er war bleich, ein
bisschen angetrunken und wild entschlossen. Im Zuge eines langen Gesprächs —
wohl das quälendste seines ganzen jungen Lebens — überzeugte er meine
stockkatholische Mutter und meinen aufbrausenden Offiziersvater, dass er ihrem
kleinen Mädchen ein guter Ehemann sein würde.
    Und das war er auf seine Art
auch gewesen.
    Die ersten Jahre ihrer Ehe
waren hart. Ricky war viel unterwegs, und er und Charlene entwickelten ein
Fortpflanzungsmuster, das dem Papst ein zufriedenes Lächeln entlockt hätte.
Nach Micks Geburt gab Ricky vorübergehend das Touren mit seiner eigenen Band
auf und schloss mit einer Booking-Agentur in Nashville ab. Die schickte ihn auf
eine ausgedehnte Tournee mit einer Gruppe, die den passenden Namen The
Missing Link trug. Ma und Pa waren beunruhigt. Keine Bange, sagte Charlene,
er kommt schon wieder. Und er kam wieder, ein paar Monate spätem und
schwängerte sie erneut. Er blieb da und arbeitete mit seiner eigenen Band an
Demobändern mit seinen Songs, bis sich die nächtlichen Stillsitzungen mit Micks
Schwesterchen Chris ein paar Wochen eingespielt hatten. Dann zog er wieder los.
    Er kommt schon wieder, sagte
Charlene heiter-gelassen.
    Dieses Muster setzte sich fort,
bis die Zahl der Little Savages, wie die Familie sie liebevoll nannte, auf
sechs angewachsen war. An diesem Punkt drängte selbst meine stockkatholische
Mutter Charlene zu einer Tubenligatur, und meine Schwester musste zugeben, dass
es an der Zeit war, sich mit diesem Gedanken zu befassen. Und das Leben der
Savages nahm einen durch Lebensmittelmarken, Sozialwohnungen und großzügige
Zuwendungen aus der Verwandtschaft markierten Lauf, der, wie wir alle
fürchteten, irgendwann in der Gosse enden würde.
    Und dann wurde Ricky Savage
plötzlich jedem Musikhörer ein Begriff.
    Er schaffte es mit Hilfe meines
Vaters, der jahrelang beobachtet hatte, wie Ricky darum kämpfte, seinen Traum
zu verwirklichen, was ihm Respekt und Bewunderung abnötigte. Pa verstand nicht
viel von Musik — abgesehen von den schlüpfrigen Balladen, die er beim Werkeln
in seiner Garagenwerkstatt vor sich hinzuschmettern pflegte — , aber als
Exberufssoldat verstand er etwas von Mut und Durchhaltevermögen. Also lieh er
Ricky und seiner Band gegen das Versprechen, dass Ricky, wenn es diesmal wieder
nicht klappte, aufgeben und in den Malerbetrieb meines Bruders eintreten würde,
das Geld für ein letztes professionelles Demoband mit vier Songs, darunter ein
brandneuer Ohrwurm mit dem Titel »Cobwebs in the Attic of My Mind«. Ricky
übergab das Band eigenhändig seinem Booking-Agenten in Nashville, der es sich
anhörte und einen Freund in der A&R-Abteilung von Transamerica Records
anrief, und binnen weniger Monate standen das daraus hervorgegangene Album und
die »Cobwebs«-Single an der Spitze der Country-Charts.
    Rickys Erfolg hielt an. Nach
einer Reihe von Hits, die alle an der Architekturmetapher festhielten — »The
House Where Love Once Lived«, »You Can Get Me Out of Your Bedroom, But You
Can’t Get Me Out of Your Heart« — , schrieb er weitere Songs, die die Kritiker
zum Besten zählten, was derzeit zu hören war. Emotional und oft tiefgründig,
erzählten sie Geschichten, die Kopf und Herz ansprachen. Und, wichtiger noch,
sie erhielten Auszeichnung um Auszeichnung und schafften immer wieder den
Sprung in die weit wichtigeren Pop-Charts.
    Rickys jähe Verwandlung in
einen Superstar war für die Savages nicht leicht zu verkraften. Die
Begleiterscheinungen waren zu viel Besitz, zu viele Veränderungen, zu wenig
Privatleben, zu wenig Zeit. Die Kinder wurden raffgierig und aufsässig;
Charlene wurde unsicher und deprimiert; Ricky begriff nicht, was in aller Welt
er jetzt falsch machte. Doch bei all dem hielten er und Charlene zusammen, mobilisierten
sie ihren gesamten gesunden Menschenverstand, um die Familie davor zu bewahren,
völlig durchzudrehen. Sie bewältigten die Lernstörungen ihres jüngeren Sohnes,
Mas und Pas Scheidung, den tragischen Tod von Rickys Eltern und von zwei
Mitgliedern seiner Band, die Zerstörung ihres Hauses in Pacific Palisades durch
einen Waldbrand. Oh, es gab Momente, in denen es aussah, als würden sie’s nicht
schaffen. Etwa als sie nach Las Vegas geflogen war, um ihn zu überraschen, und
ihn mit der Sängerin seiner Vorgruppe im Bett erwischte. Oder als er unerwartet
zurückkam, sie in einem Restaurant aufspürte, wo sie sich mit
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