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Das Fräulein von Scuderi

Das Fräulein von Scuderi

Titel: Das Fräulein von Scuderi
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Miossens befolgte genau, was d'Andilly geraten, und es geschah wirklich, was dieser vorhergesehen.
    Nun kam es darauf an, den König anzugehen, und dies war der schwierigste Punkt, da er gegen Brußon, den er allein für den entsetzlichen Raubmörder hielt, welcher so lange Zeit hindurch ganz Paris in Angst und Schrecken gesetzt hatte, solchen Abscheu hegte, daß er, nur leise 74
    erinnert an den berüchtigten Prozeß, in den heftigsten Zorn geriet. Die Maintenon, ihrem Grundsatz, dem Könige nie von unangenehmen Dingen zu reden, getreu, verwarf die Vermittlung, und so war Brußons Schicksal ganz in die Hand der Scuderi gelegt. Nach langem Sinnen faßte sie einen Entschluß ebenso schnell als sie ihn ausführte. Sie kleidete sich in eine schwarze Robe von schwerem Sei-denzeug, schmückte sich mit Cardillacs köstlichem Geschmeide, hing einen langen, schwarzen Schleier über und erschien so in den Gemächern der Maintenon zur Stunde, da oben der König zugegen. Die edle Gestalt des ehrwürdigen Fräuleins in diesem feierlichen Anzuge hatte eine Majestät, die tiefe Ehrfurcht erwecken mußte selbst bei dem losen Volk, das gewohnt ist, in den Vorzimmern sein leichtsinnig nichts beachtendes Wesen zu treiben. Alles wich scheu zur Seite, und als sie nun eintrat, stand selbst der König ganz verwundert auf und kam ihr entgegen. Da blitzten ihm die köstlichen Diamanten des Hals-bands, der Armbänder ins Auge und er rief: Beim Himmel, das ist Cardillacs Geschmeide! Und dann sich zur Maintenon wendend, fügte er mit anmutigem Lächeln hinzu: Seht, Frau Marquise, wie unsere schöne Braut um ihren Bräutigam trauert. Ei, gnädiger Herr, fiel die Scuderi wie den Scherz fortsetzend ein, wie würd' es ziemen einer schmerzerfüllten Braut, sich so glanzvoll zu schmücken?
    Nein, ich habe mich ganz losgesagt von diesem Goldschmied und dächte nicht mehr an ihn, träte mir nicht manchmal das abscheuliche Bild, wie er ermordet dicht bei mir vorübergetragen wurde, vor Augen. Wie, fragte der König, wie! Ihr habt ihn gesehen, den armen Teufel? Die Scuderi erzählte nun mit kurzen Worten, wie sie der Zufall (noch erwähnte sie nicht der Einmischung Brußons) vor Cardillacs Haus gebracht, als eben der Mord entdeckt worden. Sie schilderte Madelons wilden Schmerz, den tie-75
    fen Eindruck, den das Himmelskind auf sie gemacht, die Art, wie sie die Arme unter Zujauchzen des Volks aus Desgrais' Händen gerettet. Mit immer steigendem und steigendem Interesse begannen nun die Szenen mit la Regnie – mit Desgrais – mit Olivier Brußon selbst. Der K ö-
    nig, hingerissen von der Gewalt des lebendigsten Lebens, das in der Scuderi Rede glühte, gewahrte nicht, daß von dem gehässigen Prozeß des ihm abscheulichen Brußons die Rede war, vermochte nicht ein Wort hervorzubringen, konnte nur dann und wann mit einem Ausruf Luft machen der innern Bewegung. Ehe er sich's versah, ganz außer sich über das Unerhörte, was er erfahren und noch nicht vermögend alles zu ordnen, lag die Scuderi schon zu seinen Füßen und flehte um Gnade für Olivier Brußon. Was tut Ihr, brach der König los, indem er sie bei beiden Händen faßte und in den Sessel nötigte, was tut Ihr, mein Fräulein! – Ihr überrascht mich auf seltsame Weise! – Das ist ja eine entsetzliche Geschichte! – Wer bürgt für die Wahrheit der abenteuerlichen Erzählung Brußons?« Darauf die Scuderi: Miossens' Aussage – die Untersuchung in Cardillacs Hause – innere Überzeugung – ach! Madelons tugendhaftes Herz, das gleiche Tugend in dem unglücklichen Brußon erkannte! – Der König, im Begriff, etwas zu erwidern, wandte sich auf ein Geräusch um, das an der Türe entstand. Louvois, der eben im andern Gemach arbeitete, sah hinein mit besorglicher Miene. Der König stand auf und verließ, Louvois folgend, das Zimmer. Beide, die Scuderi, die Maintenon hielten diese Unterbre-chung für gefährlich, denn einmal überrascht, mochte der König sich hüten, in die gestellte Falle zum zweitenmal zu gehen. Doch nach einigen Minuten trat der König wieder hinein, schritt rasch ein paarmal im Zimmer auf und ab, stellte sich dann, die Hände über den Rücken geschlagen, dicht vor der Scuderi hin und sprach, ohne sie anzublik-76
    ken, halb leise: Wohl möcht' ich Eure Madelon sehen! –
    Darauf die Scuderi: O mein gnädiger Herr, welches hohen
    – hohen Glücks würdigt Ihr das arme, unglückliche Kind –
    ach, nur Eures Winks bedurft' es ja, die Kleine zu Euren Füßen zu sehen. Und
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