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Das Fräulein von Scuderi

Das Fräulein von Scuderi

Titel: Das Fräulein von Scuderi
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Tadelt mich, tadelt mich, mein würdiges Fräulein, daß ich zu schwach war, mit Gewalt eine Leidenschaft niederzukämpfen, die mich an das Verbrechen fesselte; aber büße ich nicht dafür mit schmachvollem Tode? – Eines Tages kam Cardillac nach Hause ungewöhnlich heiter. Er liebkoste Madelon, warf mir die freundlichsten Blicke zu, trank bei Tische eine Flasche edlen Weins, wie er es nur an hohen Fest- und Feiertagen zu tun pflegte, sang und jubilierte. Madelon hatte uns verlassen, ich wollte in die Werkstatt: Bleib sitzen, Junge, rief Cardillac, heut' keine Arbeit mehr, laß uns noch eins trin-ken auf das Wohl der allerwürdigsten, vortrefflichsten Da-me in Paris. Nachdem ich mit ihm angestoßen und er ein volles Glas geleert hatte, sprach er: Sag' an, Olivier! wie gefallen dir die Verse:
    Un amant qui craint les voleurs
    n'est point digne d'amour.
    Er erzählte nun, was sich in den Gemächern der Maintenon mit Euch und dem König begeben und fügte hinzu, daß er Euch von jeher verehrt habe, wie sonst kein menschliches Wesen, und daß Ihr, mit solch hoher Tugend begabt, vor der der böse Stern kraftlos erbleiche, selbst den schönsten von ihm gefertigten Schmuck tra-gend, niemals ein böses Gespenst, Mordgedanken in ihm erregen würdet. Höre, Olivier, sprach er, wozu ich entschlossen. Vor langer Zeit sollt' ich Halsschmuck und Armbänder fertigen für Henriette von England und selbst die Steine dazu liefern. Die Arbeit gelang mir wie keine andere, aber es zerriß mir die Brust, wenn ich daran dachte, mich von dem Schmuck, der mein Herzenskleinod geworden, trennen zu müssen. Du weißt der Prinzessin un-63
    glücklichen Tod durch Meuchelmord. Ich behielt den Schmuck und will ihn als ein Zeichen meiner Ehrfurcht, meiner Dankbarkeit dem Fräulein von Scuderi senden im Namen der verfolgten Bande. – Außerdem, daß die Scuderi das sprechende Zeichen ihres Triumphs erhält, verhöhne ich auch Desgrais und seine Gesellen, wie sie es verdienen. – Du sollst ihr den Schmuck hintragen. Sowie Cardillac Euren Namen nannte, Fräulein, war es, als würden schwarze Schleier weggezogen und das schöne, lichte Bild meiner glücklichen Kinderzeit ginge wieder auf in bunten, glänzenden Farben. Es kam ein wunderbarer
    Trost in meine Seele, ein Hoffnungsstrahl, vor dem die finstern Geister schwanden. Cardillac mochte den Eindruck, den seine Worte auf mich gemacht, wahrnehmen und
    nach seiner Art deuten. Dir scheint, sprach er, mein Vorhaben zu behagen. Gestehen kann ich wohl, daß eine tief'
    innere Stimme, sehr verschieden von der, welche Blutop-fer verlangt wie ein gefräßiges Raubtier, mir befohlen hat, daß ich solches tue. – Manchmal wird mir wunderlich im Gemüte – eine innere Angst, die Furcht vor irgend etwas Entsetzlichem, dessen Schauer aus einem fernen Jenseits herüber wehen in die Zeit, ergreift mich gewaltsam. Es ist mir dann sogar, als ob das, was der böse Stern begonnen durch mich, meiner unsterblichen Seele, die daran keinen Teil hat, zugerechnet werden könne. In solcher Stimmung beschloß ich, für die heilige Jungfrau in der Kirche St. Eu-stache eine schöne Diamanten-Krone zu fertigen. Aber jene unbegreifliche Angst überfiel mich stärker, so oft ich die Arbeit beginnen wollte, da unterließ ich's ganz. Jetzt ist es mir, als wenn ich der Tugend und Frömmigkeit selbst demutsvoll ein Opfer bringe und wirksame Fürsprache erflehe, indem ich der Scuderi den schönsten Schmuck sende, den ich jemals gearbeitet. – Cardillac, mit Eurer ganzen Lebensweise, mein Fräulein, auf das genaueste be-64
    kannt, gab mir nun Art und Weise sowie die Stunde an, wie und wann ich den Schmuck, den er in ein sauberes Kästchen schloß, abliefern solle. Mein ganzes Wesen war Entzücken, denn der Himmel selbst zeigte mir durch den frevelichen Cardillac den Weg, mich zu retten aus der Höl-le, in der ich, ein verstoßener Sünder, schmachte. So dacht' ich. Ganz gegen Cardillacs Willen wollt' ich bis zu Euch dringen. Als Anne Brußons Sohn, als Euer Pflegling gedacht' ich, mich Euch zu Füßen zu werfen und Euch alles – alles zu entdecken. Ihr hättet, gerührt von dem na-menslosen Elend, das der armen, unschuldigen Madelon drohte bei der Entdeckung, das Geheimnis geachtet, aber Euer hoher, scharfsinniger Geist fand gewiß sichre Mittel, ohne jene Entdeckung der verruchten Bosheit Cardillacs zu steuern. Fragt mich nicht, worin diese Mittel hätten bestehen sollen, ich weiß es nicht – aber daß Ihr Madelon und mich
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