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Das Fräulein von Scuderi

Das Fräulein von Scuderi

Titel: Das Fräulein von Scuderi
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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daß la Regnies Verfahren keineswegs grausam und übereilt zu nennen, vielmehr ganz gesetzlich sei, ja daß er nicht anders handeln könne, ohne die Pflichten des Richters zu verletzen. Er, d'Andilly, selbst getraue sich nicht durch die geschickteste Verteidi-gung Brußon von der Tortur zu retten. Nur Brußon selbst könne das entweder durch aufrichtiges Geständnis oder wenigstens durch die genaueste Erzählung der Umstände bei dem Morde Cardillacs, die dann vielleicht erst zu neu-en Ausmittelungen Anlaß geben würden. So werfe ich mich dem Könige zu Füßen und flehe um Gnade, sprach die Scuderi außer sich mit von Tränen halb erstickter Stimme. Tut das, rief d'Andilly, tut das nun um des Himmels willen nicht, mein Fräulein! – Spart Euch dieses letzte Hilfsmittel auf, das, schlug es einmal fehl, Euch für immer verloren ist. Der König wird nimmer einen Verbrecher der Art begnadigen, der bitterste Vorwurf des gefährdeten Volks würde ihn treffen. Möglich ist es, daß Brußon durch Entdeckung seines Geheimnisses oder sonst Mittel findet, den wider ihn streitenden Verdacht aufzuheben. Dann ist es Zeit, des Königs Gnade zu erflehen, der nicht danach fragen, was vor Gericht bewiesen ist, oder nicht, sondern seine innere Überzeugung zu Rate ziehen wird. – Die Scuderi mußte dem tieferfahrnen d'Andilly notgedrungen beipflichten. – In tiefem Kummer versenkt, sinnend und sinnend, was um der Jungfrau und aller Heiligen willen sie nun anfangen solle, um den unglücklichen Brußon zu retten, saß sie am späten Abend in ihrem Gemach, als die Martiniere eintrat und den Grafen von Miossens, Obristen von der Garde des Königs, meldete der dringend wün-70
    sche, das Fräulein zu sprechen.
    Verzeiht, sprach Miossens, indem er sich mit soldatischem Anstande verbeugte, verzeiht, mein Fräulein, wenn ich Euch so spät, so zu ungelegener Zeit überlaufe. Wir Sol-daten machen es nicht anders, und zudem bin ich mit zwei Worten entschuldigt. – Olivier Brußon führt mich zu Euch.
    Die Scuderi, hochgespannt, was sie jetzt wieder erfahren werde, rief laut: Olivier Brußon? der Unglücklichste aller Menschen? – was habt Ihr mit dem? – Dacht' ich's doch, sprach Miossens lächelnd weiter, daß Eures Schützlings Namen hinreichen wurde, mir bei Euch ein geneigtes Ohr zu verschaffen. Die ganze Welt ist von Brußons Schuld überzeugt. Ich weiß, daß Ihr eine andere Meinung hegt, die sich freilich nur auf die Beteurungen des Angeklagten stützen soll, wie man gesagt hat. Mit mir ist es anders. Niemand als ich kann besser überzeugt sein von Brußons Unschuld an dem Tode Cardillacs. Redet, o redet, rief die Scuderi, indem ihr die Augen glänzten vor Entzücken. Ich, sprach Miossens mit Nachdruck, ich war es selbst, der den alten Goldschmied niederstieß in der Straße St. Honoré unfern Eurem Hause. Um aller Heiligen willen Ihr – Ihr! rief die Scuderi. Und, fuhr Miossens fort, und ich schwöre es Euch, mein Fräulein, daß ich stolz bin auf meine Tat. Wis-set, daß Cardillac der verruchteste, heuchlerische Bösewicht, daß er es war, der in der Nacht heimtückisch mordete und raubte und so lange allen Schlingen entging. Ich weiß selbst nicht, wie es kam, daß ein innerer Verdacht sich in mir gegen den alten Bösewicht regte, als er voll sichtbarer Unruhe den Schmuck brachte, den ich bestellt, als er sich genau erkundigte, für wen ich den Schmuck bestimmt und als er auf recht listige Art meinen Kammerdiener ausgefragt hatte, wann ich eine gewisse Dame zu besuchen pflege. – Längst war es mir aufgefallen, daß die unglücklichen Schlachtopfer der abscheulichen Raubgier 71
    alle dieselbe Todeswunde trugen. Es war mir gewiß, daß der Mörder auf den Stoß, der augenblicklich töten mußte, eingeübt war und darauf rechnete. Schlug der fehl, so galt es den gleichen Kampf. Dies ließ mich eine Vorsichtsmaß-
    regel brauchen, die so einfach ist, daß ich nicht begreife, wie andere nicht längst darauf fielen und sich retteten von dem bedrohlichen Mordwesen. Ich trug einen leichten Brustharnisch unter der Weste. Cardillac fiel mich von hinten an. Er umfaßte mich mit Riesenkraft, aber der sicher geführte Stoß glitt ab an dem Eisen. In demselben Augenblick entwand ich mich ihm und stieß ihm den Dolch, den ich in Bereitschaft hatte, in die Brust. Und Ihr schwiegt, fragte die Scuderi, Ihr zeigtet den Gerichten nicht an, was geschehen? Erlaubt, sprach Miossens weiter, erlaubt, mein Fräulein, zu bemerken, daß eine solche
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