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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht
Autoren: Peter V. Brett
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aufstehen konnte, hatte Jardir bereits den Platz des Jungen in der Schlange eingenommen. Er funkelte die hinter ihm stehenden Knaben finster an, die prompt beiseite rückten und Abban ebenfalls den Vortritt ließen.
    Eine einzige Schöpfkelle voller Schleimsuppe war ihre Belohnung. »Ist das alles?«, fragte Abban entsetzt. Der Servierer maß ihn mit einem vernichtenden Blick, und Jardir bugsierte seinen Freund eilig weg. Die Ecken des Raums waren bereits von den älteren Jungen mit Beschlag belegt worden, deshalb zogen sie sich an eine der Wände zurück.
    »Ich werde noch verhungern«, prophezeite Abban und schwenkte die wässrige Suppe in seiner Schale.
    »Uns geht es immer noch besser als ein paar anderen«, meinte Jardir und zeigte auf zwei bunt und blau geprügelte Jungen, die überhaupt kein Essen abbekommen hatten. »Ich gebe dir etwas von meiner Suppe ab«, fügte er hinzu, als Abban immer noch finster dreinschaute. »Zu Hause habe ich auch nicht viel mehr gekriegt.«

    Sie schliefen auf dem Sandsteinboden in der Kaserne, nur mit dünnen Decken vor der Kälte geschützt. Jardir, der daran gewöhnt war, sich an seiner Mutter und seinen Schwestern zu wärmen, schmiegte sich eng an Abbans molligen Leib. In der Ferne ertönte das Horn des Sharak und er wusste, dass die Krieger sich zum
Kampf sammelten. Es dauerte lange, bis er einschlief, und dann träumte er von Ruhmestaten.
    Mit einem Ruck wachte er auf, als eine dünne Decke über sein Gesicht geworfen wurde. Er sträubte sich nach Kräften, aber das Tuch wurde hinter seinem Kopf zusammengerafft und festgehalten. Neben sich hörte er Abbans gedämpfte Schreie.
    Von allen Seiten prasselten Schläge auf ihn ein, Fußtritte und Boxhiebe trieben ihm die Luft aus den Lungen und rüttelten seinen Kopf durch. Jardir ruderte mit Armen und Beinen wild um sich, doch obwohl er spürte, dass er gelegentlich jemanden traf, trug seine Gegenwehr nicht dazu bei, den Angriff zu mildern. Bald sank er kraftlos zusammen, nur noch von der erstickenden Decke gestützt.
    Als er glaubte, er sei am Ende und müsse ganz gewiss sterben, ohne ein Anrecht auf das Paradies oder Ehre errungen zu haben, höhnte eine vertraute Stimme: »Willkommen im Kaji’sharaj , ihr Rattenpest!« Das »s« blies Hasik als Pfeifton durch seine Zahnlücke. Die Decken wurden weggezerrt und auf den Boden geworfen.
    Die anderen Jungen bogen sich vor Lachen und kehrten zu ihren eigenen Schlafstätten zurück, während Jardir und Abban zusammengekrümmt in der Dunkelheit lagen und weinten.

    »Stell dich gerade hin!«, zischte Jardir, als sie auf den morgendlichen Appell warteten.
    »Ich kann nicht«, wimmerte Abban. »Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugekriegt, und mir tut alles weh.«
    »Lass dir nichts anmerken«, riet Jardir. »Mein Vater sagte immer, das schwächste Kamel zieht die Wölfe an.«
    »Und mein Vater sagte, ich solle mich verstecken, bis die Wölfe weg wären.«

    »Mund halten!«, bellte Kaval. »Der dama kommt, um euch erbärmliche Wichte zu begutachten.«
    Er und Qeran nahmen keine Notiz von ihren Blessuren und Prellungen, als sie an ihnen vorbeistapften. Jardirs linkes Auge war fast zugeschwollen, aber das Einzige, was den Exerziermeistern auffiel, war Abbans krumme Haltung. »Steh gerade!«, schnauzte Qeran, und Kaval verlieh dem Befehl Nachdruck, indem er seinen Lederriemen über Abbans Beine zog. Abban schrie vor Schmerzen auf und wäre beinahe umgefallen, doch Jardir hielt ihn noch rechtzeitig fest.
    Jemand kicherte, und Jardir knurrte Hasik wütend an, der daraufhin nur blöde grinste.
    In Wahrheit fühlte sich Jardir fast genauso zerschunden wie Abban, aber er weigerte sich, Anzeichen von Schwäche zu zeigen. Obwohl ihm schwindelig war und jeder Knochen in seinem Leib schmerzte, drückte Jardir das Kreuz durch und blickte mit seinem unversehrten Auge hellwach drein, als dama Khevat sich näherte. Die Exerziermeister machten Platz für den Geistlichen und verneigten sich respektvoll.
    »Es ist eine Schande, dass die Krieger des Kaji, die dem Geschlecht des Shar’Dama Ka , des Erlösers höchstselbst, entstammen, solche traurigen Elendsgestalten sind«, spottete der dama und spuckte in den Staub. »Eure Mütter müssen den Samen von Männern mit Kamelpisse vermischt haben.«
    »Das ist eine Lüge!«, brüllte Jardir impulsiv. Abban glotzte ihn erschrocken an, aber diese Beleidigung hatte das Maß des Erträglichen überschritten. Als Qeran blitzschnell auf ihn zu sprang, wusste
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