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Das Flüstern der Albträume

Das Flüstern der Albträume

Titel: Das Flüstern der Albträume
Autoren: Mary Burton
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einen Moment lang, sie wäre tot. Um sie herum war es finster. Sie blinzelte, doch es blieb dunkel.
    Dann merkte sie, dass ihre rechte Seite wehtat und von dem Stromschlag noch empfindlich war. Gott, sie fühlte sich, als wäre sie von einem Lastwagen angefahren worden.
    Sie schüttelte den Kopf und versuchte, die Hände zu heben, doch sie waren an die Armlehnen des Stuhls gefesselt, auf dem sie saß. Evas Blutdruck schoss in die Höhe, ihr Herz hämmerte, und ihr Geist lief auf Hochtouren.
    Bobby. Als der Stromschlag sie traf, hatte der Junge genau vor ihr gestanden. Hatte er gesehen, wer das getan hatte? War er weggelaufen und hatte sich in Sicherheit gebracht? Oder befand er sich hier irgendwo im Raum?
    »Bobby?«, flüsterte sie. »Bobby, bist du hier drinnen? Wach auf, Schätzchen.«
    Kein Laut, kein Wort drang aus der Finsternis; da war nur Stille.
    Ihr Handy begann zu klingeln. Der Rucksack. Er musste hier irgendwo in der Nähe sein. Eva zerrte an ihren Fesseln und versuchte, sich zu befreien, damit sie sich durch den Raum tasten und ihren Rucksack finden konnte. Aber ihre Hände waren so fest an die Armlehnen gebunden, dass ihr die Finger kribbelten. Schließlich verstummte das Handy und versank in der Finsternis.
    Der Rettungsanker war so nahe, und sie konnte ihn nicht erreichen. Sie versuchte, mit ihrem Stuhl hin und her zu schaukeln, merkte aber, dass er am Boden festgeschraubt war. Sie saß in der Falle.
    Eva wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie hörte, wie eine Tür aufging und das Deckenlicht grell und hart zum Leben erwachte.
    Sie zuckte zusammen und schloss die Augen gegen den Schmerz, den das Licht verursachte. Schritte kamen die Treppe herunter, während sie sich bemühte, ihre Augen an die Helligkeit zu gewöhnen. Endlich war sie in der Lage, das verschwommene Weiß auszuhalten, und betete darum, dass sich ihre Pupillen schnell scharf stellten.
    »Darauf habe ich lange gewartet, Eva.«
    Die Stimme klang so vertraut, doch sie verwarf ihren ersten Gedanken sofort wieder. Es ergab keinen Sinn. Und dann wurde ihre Sicht klar, und sie sah, wer vor ihr stand.
    Die Kleidung und die Perücke sollten einen Mann darstellen, aber Eva wusste sofort, dass keine Verkleidung über derart vertraute Augen hinwegtäuschen konnte.
    »Sally.«
    Die Ältere zögerte kurz, dann lächelte sie. »Überraschung.«
    Evas Gedanken wirbelten durcheinander. Das ergab alles keinen Sinn. Sally war ihre Freundin. »Warum bist du hier? Warum?«
    Sally zog die Perücke ab und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Schau mich genau an. Erinnere ich dich an jemanden?«
    Eva musterte Sallys unergründliche Augen und den leichten Abwärtsschwung ihrer Lippen. Was am meisten hervorstach, waren ihre Augen. Nicht deren Farbe oder Form, sondern die völlige Leere in ihnen.
    Eva spürte, wie ihr die Brust eng wurde, ähnlich wie so oft in den Monaten und Jahren, nachdem Josiah sie vergewaltigt hatte. Die Einzelheiten der Vergewaltigung hatte sie vergessen, doch niemals Josiahs Augen. Bar jeden Gefühls – es war, als hätte sie in die Augen von Satan geschaut.
    Erinnerungen an jene Nacht arbeiteten sich langsam aus der Finsternis empor. Josiahs tote, leblose Augen. Seine Hände auf ihren Brüsten. Sein Atem, der nach Pfefferminz roch. »Du bist Josiahs Mutter.«
    Sally nickte. »Sehr gut.«
    »Josiah und Micah dachten, du wärst tot.«
    Trauer lag in Sallys Blick. »Das hat ihr Vater ihnen gesagt. Wie du ganz gut weißt, log Darius, um zu bekommen, was er wollte.«
    »Aber warum?«
    Sally ließ kaum merklich die Schultern sinken. »Darius und ich haben geheiratet, als ich noch in der Highschool war. Er war der ältere Junge, der Verführer. Ich war siebzehn und wollte weg aus meinem schrecklichen Zuhause. Wir ergänzten uns perfekt. Im Überschwang der Gefühle liefen wir fort und heirateten. Und für eine Weile kamen wir zurecht. Darius konnte Geld verdienen wie kein anderer. Es kümmerte ihn nicht, dass er manchmal krumme Wege gehen musste. Und dann kamen die Zwillinge, und alles war gut.« Tränen stiegen Sally in die Augen, als sie sich an diese lange zurückliegende Zeit erinnerte. »Aber je mehr Geld Darius verdiente, desto mehr entfernte er sich von mir. Und als klar war, dass ich keine Kinder mehr bekommen konnte, fing er an, mich schlecht zu behandeln. Einmal gaben wir eine Party, und er schlug mich, weil die Gläser, die ich auf den Tisch gestellt hatte, nicht zusammenpassten. Ich wurde für ihn zur Erinnerung an
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