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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett
Autoren: Unknown
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eigentlich nur zum Spaß, denn dafür war sie natürlich längst viel zu
alt — in ausgeliehenen Spitzenschuhen unter Zuhilfenahme ungeheurer
Wattebäusche sich auf die Spitze erhob, »en point« die prosaische Fußsohle vom
Boden befreite und mit schmerzhaft gestrecktem Spann, mit durchgedrückten Knien
und leicht gegrätschten Beinen volle drei — oder waren es vier Sekunden
durchhielt. Was ihr ein ungeheures Wohlgefühl vermittelte. Erst bei dem vermessenen
Versuch, einen Schritt zu wagen, knickte sie mit dem linken Knöchel ein und
sank mit einem Aufschrei zu Boden. Nein, wir wollen die ganze Wahrheit nicht
verhehlen. Sie sank nicht zu Boden, denn Gregor war bei dem Versuch hinter ihr
gestanden, in einer der bekannten Positionen des Pas de deux, bei der der
Danseur seiner Partnerin Hilfestellung gibt, hatte mit seinen starken Händen,
das heißt eigentlich nur mit Daumen und Zeigefinger links und rechts ihre
Taille umfaßt. Doch als sie wankte und zu stürzen begann, entschlüpfte der
abknickende Körper diesem angenehmen Halt, und bevor er sie mit den Unterarmen
in den Achselhöhlen auffangen konnte, war es unvermeidlich, daß seine Hände
über ihren Busen glitten.
    So zufällig und zart auch die
Berührung war, sie hatte die Wirkung eines — der Franzose nennt es Coup de
foudre — eines Blitzschlages. Wir wollen bescheidener sein und sagen, es sei
eine Art Kurzschluß gewesen.
    Jedenfalls schien ihr, als
sprühten knisternde Funken durch ihren Körper und der Schmerz des verknacksten
Knöchels war nichts gegenüber dem unendlich lustvollen, jähen und doch so
nachklingenden Schmerz, den sie an anderer Stelle verspürte, wo sie den
»Kleinen Tod« (wie ihn wiederum die Franzosen nennen) erlebte, erlitt, über den
ihre Kolleginnen mit rüden Worten soviel Gewese machten und der im Leben von
Frauen angeblich — und wie sie spürte mit Recht — , eine so große Rolle
spielte.
    Was war gegenüber diesem unendlich
großen Ersterben in Lust, diesem Vergehen in einer süßen Ohnmacht der Schmerz des
verletzten Fußes, um den man sich nun allgemein bemühte, mit fachkundigen
Händen den lindernden Umschlag, routiniert eine Bandage anlegte. Aus der
leichtfüßigen Nymphe war zwar ein humpelnder Invalide geworden, aber das noch
nie erfahrene Glücksgefühl hatte aus einer kecken, vorwitzigen Prinzessin
Naseweis einen jungen Menschen gemacht, dem — unerwartet und darum um so
überraschender — eines der mythischen Geheimnisse des weiblichen Körpers
erschlossen worden war.
    Mit Training und Exercise war es
jetzt natürlich vorerst vorbei, und doch zog es sie jeden Tag in das Tal der
Verzasca, dem wilden Herzen des Tessins, auch wenn sie nur Zuschauerin blieb
oder, auf die Schulter Gregors gestützt, durch den romantischen Ort humpelte,
wo sie auf dem malerischen Friedhof, dem schönsten der Welt, vor der silbrigen
Silhouette des Gambarogno, den ersten scheuen Kuß Gregors empfing.
    Aber es gehörte auch zu den
schönsten Augenblicken ihres so jungen Lebens, wenn sie mit dem gesunden,
untergeschlagenen Bein, das verletzte sorgsam auf einen Hocker gelegt, in
»ihrem« Stuhl saß, der schon einmal, bei jener denkwürdigen Party, ihr
Zufluchtsort gewesen war, an einem Glas Tomatensaft nippte, dem ein Schuß Wodka
Würze gab, und still zuhörte, wenn Al ihr aus seinem gescheiten Buch vorlas,
das den sonderbaren Titel »Fug und Unfug des Tanzes« tragen sollte.
    Sie waren jetzt wie Bruder und
Schwester, die besten Freunde, und doch verspürte sie ein merkwürdig
prickelndes Gefühl und auch eine Regung von Treulosigkeit, wenn die zarten
Gute-Nacht-Küsse immer länger dauerten, die kameradschaftliche Umarmung an
Festigkeit gewann und sie sich ihr nur mit sanftem und bedauerndem Widerstreben
entziehen konnte.
    Wie gut, daß Al nichts von ihren
Ausflügen in das Verzasca-Tal wußte. Es war ihr ureigenstes Geheimnis.
12
    Die feste Bandage war einem
lockeren Verband gewichen, sie hatte wieder ein leichtes Training aufgenommen
(oder war es ein Exercise?), und die Küsse Gregors waren beileibe nicht zur
Gewohnheit geworden, sondern hatten im Gegenteil an Intensität gewonnen, und
das war auch gut so, denn ihre Ferien neigten sich langsam dem Ende zu...
    Sie fühlte sich zunehmend in einem
Zwiespalt — der aber jäh behoben wurde, als sie eines schönen, eines sehr
schönen Tages von Gregor die etwas verlegen und stockend vorgebrachte Einladung
erhielt, am nächsten Abend zu ihm zu kommen, in ein altes Bauernhaus, das
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