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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste
Autoren: Karen Winter
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Eingang, ein livrierter Schwarzer mit weißen Handschuhen begrüßte jeden neuen Gast, bevor zwei Serviermädchen in blütenweißen Schürzen einen Aperitif reichten.
    Der Saal des Hotels, eigentlich für Versammlungen, Hochzeiten, Sportveranstaltungen und Sitzungen ausgelegt, versprühte Feierlichkeit. Das Licht war gedämpft, auf den Tischen brannten Kerzen, glänzende Tischwäsche reichte bis auf den Boden, und überall prangten Gestecke aus trockenen Zweigen und Wüstengras. Erwartungsvolles Gelächter perlte wie Sekt, auf nackten Frauenschultern schimmerte das Kerzenlicht wie Gold, und der Saal war erfüllt vom Knistern der Seidenkleider. Hatten die Männer am Nachmittag noch ihre Farmerskluft getragen, steckten sie nun in schwarzen Anzüge mit weißen Hemden. Wangen und Kinn waren frisch rasiert, die Blicke voller Erwartung auf die Dekolletés der Frauen gerichtet.
    Am Kopf des Saales war ein großes Buffet aufgebaut, das vor Speisen überquoll. In riesigen Schüsseln wurden Farmer’s lekkerny als Vorspeise angeboten, außerdem ein Salat aus Ziegenkäse, Kaktusfeigen und geräuchertem Wildfleisch. Es gab Biltong, eine namibische Spezialität aus verschiedenen Wildfleischsorten, die in Streifen geschnitten, scharf mit Koriander und Pfeffer gewürzt und anschließend luftgetrocknet wurden. Außerdem wurden Straußenkeulen in Weißweinsoße sowie Fleisch vom Oryx, Zebra und natürlich aus den eigenen Zuchten serviert. In einer riesigen Pfanne brutzelten Springbocksteaks, daneben brodelte ein Schafscurry und erfüllte die Luft mit seinem köstlichen Duft. Süßkartoffeln dampften in riesigen Schüsseln, gekochte Kürbisse lockten mit sattgelber Farbe, Bohnen mit Speck und Salate aus Möhren, Sellerie und Rosinen vervollständigten die Tafel.
    Ruth hielt ihren Teller in der Hand, unfähig, sich zu entscheiden. Sie liebte das Wildfleisch, konnte sich an Antilopensteaks nicht satt essen, hätte sich am liebsten von allem auf einmal aufgelegt, doch die warnenden Blicke ihrer Mutter hielten sie davon ab, sich ein drittes Springbocksteak aufzutun.
    »Na, Ruth, stehst du unter Beobachtung?« Nath Miller grinste sie an.
    Ruth seufzte. »›Eine Dame begnügt sich mit Gemüse‹«, zitierte sie ihre Mutter und ahmte dabei deren Tonfall nach.
    Nath lachte und sah sich nach Rose Salden um. »Pass auf, Ruth. Ich nehme ein bisschen mehr – Männer dürfen, nein, sie müssen das –, und am Tisch gebe ich dir etwas von meinem Fleisch ab.«
    Ruth überlegte, aber als sie Naths Blick sah, der auf ihr deutlich sichtbares Bäuchlein gerichtet war, griff sie nur nach einer Banane und ging hoch erhobenen Hauptes davon, auch auf den Nachtisch verzichtete sie.
    Nach dem Essen spielte eine Kapelle zum Tanz auf: zwei Eingeborene an der Gitarre, ein weiterer Schwarzer am Schlagzeug, ein Weißer am Saxophon. Die Combo nannte sich Namib , »Leben«, und wurde in Gobabis für alle Veranstaltungen gerne gebucht. Heute hatten sie zum ersten Mal einen Weißen in ihren Reihen. Das war erstaunlich, denn noch immer galt Musik, zumal Tanzmusik, als Sache der Eingeborenen. »Den Schwarzen liegt die Musik eben im Blut«, hieß es allgemein.
    Der Saxophonspieler zeigt jedenfalls, dass auch in seinen Adern Musik fließt , dachte Ruth und wippte mit den Beinen, während sie zu den anderen herübersah. Noch war die Tanzfläche leer, da sich keiner recht zu trauen schien, den Anfang zu machen. Als die Kapelle jedoch nach einer Weile mit dem Jailhouse Rock einen ersten Titel von Elvis Presley anspielte, stürmten die jungen Leute auf die Tanzfläche, um sich dort auszutoben, und sie blieben auch, während weitere aktuelle Rock’n’Roll- und Twisttitel gespielt wurden. Spielten die Musiker deutsche Walzer oder gar eine Quadrille, verzogen sie sich jedoch und gaben das Parkett für die alten Oukies frei.
    Ruth hielt sich von alldem fern und beobachtete die tanzende Menge von ihrem Platz an der Seite aus. Sie schwitzte. Die Luft im Saal war drückend; es roch nach den unterschiedlichsten Duftwässern, den Resten des Buffets und nach Schweiß. Schon seit zwei Stunden hatte sie sich nicht von ihrem Stuhl bewegt, sondern nur zugesehen, wie ihre ehemaligen Schulkameradinnen mit den Nachbarn Rock’n’Roll tanzten, bis die Röcke hochflogen und einen kurzen Blick auf die Schlüpfer preisgaben.
    Sie hatte beobachtet, wie ihre Mutter bei der Quadrille die Damenmühle vermasselte, und sie hatte beim Walzer sogar ein wenig mit dem Fuß gewippt. Sie hatte drei
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