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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste
Autoren: Karen Winter
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nicht, die Straße zu erhellen.
    »Hattest du einen schönen Abend?«, brach Rose schließlich das Schweigen.
    »Es ging so«, erwiderte Ruth und wich im selben Moment einem Schlagloch aus.
    »Helena von der Neckarfarm wird kommenden Monat heiraten. Ihre Mutter hat uns Fotos vom Brautkleid gezeigt. Ein Traum aus Seide!«, verfiel Rose sofort in Plauderton. »Ihr Mann stammt aus Südafrika. Er besitzt dort ein Weingut. Guter Stall, meint Helenas Mutter. Nun, sie hat es verdient. Drei Kinder in der Wildnis großzuziehen, das hat sie einige Nerven gekostet.«
    »Mutter, wir leben nicht in der Wildnis. Wir wohnen alle in Steinhäusern mit fließendem Wasser und Elektrizität. Tu nicht immer so, als wären wir wie die Eingeborenen, die ihren Mieliepap noch immer in heißer Asche zubereiten.«
    »Ich frage mich nur, warum du eigentlich zum Ball gegangen bist. Soweit ich das mitbekommen habe, hast du nicht ein einziges Mal getanzt. Dabei hat dich sogar der junge Tierarzt aufgefordert, mit dem sich auch Carolin vergnügt hat. Hast du gesehen, wie sie ihm schöne Augen gemacht hat? Ruth, mein Schatz, du weißt, ich liebe dich sehr, doch du musst langsam lernen, deine wenigen Möglichkeiten zu nutzen. Warum also hast du dagesessen wie ein Stock und nicht wenigstens ein Mal gelächelt?«
    Ruth schwieg. Weil ich zu dick und zu unansehnlich bin, statt weiblicher Rundungen nur Muskeln habe, nicht geziert lachen kann und mein Haar niemals so seidig wehen wird wie das der Helenas und Carolins dieser Welt. Das schöne Kleid – Nath hat recht – sieht an mir aus wie ein Futtersack, und die Schuhe wirken an mir nicht schöner als an einer Elefantenkuh.
    »Und hast du gehört, dass auch Millie Walden kurz vor ihrer Verlobung steht?« Rose plauderte bereits weiter. Sie erwartete keine Antwort von ihrer Tochter und erging sich stattdessen ausführlich über die anstehenden Hochzeiten, die Kleider der Damen und darüber, welcher der Farmer noch zu haben sei.
    Ruth biss die Zähne zusammen und bemühte sich, das Geplapper geduldig zu ertragen, dann aber platzte sie doch heraus: »Hast du mit Tom gesprochen?«
    »Nein, natürlich nicht. Wann denn? Und warum sollte ich überhaupt mit ihm sprechen?« Rose sah ihre Tochter an, als hätte diese ihr ein unanständiges Angebot unterbreitet.
    »Er sagte, Salden’s Hill stünde vor dem Bankrott. Er will uns ein Angebot für das Weideland drüben an den Greenhills machen.«
    Roses Lächeln verschwand schlagartig. Sie wirkte auf einmal angespannt. »Was hast du ihm geantwortet?«
    »Was soll ich ihm schon gesagt haben? Dass er sich irrt, natürlich. Salden’s Hill geht es gut, die Weiden stehen nicht zum Verkauf. Die an den Green Hills nicht und ebenso wenig die anderen.«
    Rose stieß einen erleichterten Seufzer aus und sah dann betont ruhig aus dem Fenster. »Bald ist Neumond.«
    Ruth betrachtete sie von der Seite. Als ihre Mutter die Blicke bemerkte, setzte sie ihr Festtagslächeln wieder auf und wandte sich Ruth wieder zu. »Das war gut, mein Schatz. Jeder von uns weiß doch, dass Tom hin und wieder Dinge sagt und tut, die unsereins nur sehr schwer nachvollziehen kann.«
    »Ist was dran an seinen Worten, Mutter? Stehen wir vor dem Ruin?«
    »Ach wo! Ich möchte nur wissen, wie du auf so etwas kommst, Kind.« Sie gähnte, hielt sich geziert die Hand vor den Mund. »Ich bin auf einmal so müde. War doch ein anstrengender Tag. Ist es dir recht, wenn ich für ein paar Minuten die Augen schließe, Schatz?«
    Ruth brummte zustimmend. Von ihrer Mutter hatte sie erst einmal keine Antwort mehr zu erwarten. War also doch etwas dran an Toms Sprüchen? Hatten sie wirklich finanzielle Schwierigkeiten?

Zweites Kapitel
    O bwohl Ruth todmüde war, wartete sie ungeduldig, bis ihre Mutter endlich eingeschlafen war. Immer wieder nach den gleichmäßigen Atemzügen lauschend, die aus dem Schlafzimmer ihrer Mutter drangen, schlich sie sich dann wie ein Dieb hinunter ins Büro. Rose mochte es nicht, wenn jemand ihr Arbeitszimmer betrat, und noch weniger duldete sie es, wenn jemand in ihren Unterlagen herumschnüffelte und ihre Ordnung durcheinanderbrachte. Daher blieb Ruth kurz auf der Schwelle stehen und prägte sich alles ein, um den Raum später wieder so verlassen zu können, wie sie ihn vorgefunden hatte. Auf dem Schreibtisch vor dem Fenster lag aufgeschlagen der Kalender ihrer Mutter, rechts daneben befand sich die Schreibtischlampe, links die Stiftschale, neben dieser ein Foto von Ruth und Corinne. Auch der
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