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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste
Autoren: Karen Winter
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Flaschen Bier und einen Whiskey getrunken, doch getanzt hatte Ruth nicht ein einziges Mal. Zwar waren die Nachbarn gekommen, um sie aufzufordern, doch Ruth war das erleichterte Lächeln auf ihren Gesichtern nicht entgangen, als sie dankend abgelehnt hatte.
    Sie seufzte missmutig und ließ ihren Blick erneut durch den Saal schweifen. In ihrer Nähe hockte Alex mit weit von sich gestreckten Beinen auf seinem Stuhl, schmauchte genüsslich eine Zigarre und betrachtete wohlwollend die jungen Mädchen beim Tanzen. Wenige Schritte daneben flirtete Carolin mit einem jungen Mann, der vor Kurzem die Tierarztpraxis des alten Doktor Schneemann übernommen hatte. Die junge Frau hielt ein Glas Sekt zierlich am Stiel, warf beim Lachen den Kopf so in den Nacken, dass ihr seidiges Blondhaar wehte, dann zog sie einen Schmollmund, nahm eine Haarsträhne zwischen zwei Finger und drehte spielerisch an ihr herum. Der junge Tierarzt sah ihr tief in die Augen, berührte sie leicht am Arm und lachte, als wäre er von Sinnen.
    Peinlich berührt wandte Ruth den Blick ab. Unglaublich, wie albern sich Verliebte benahmen! Konnte man die Dinge zwischen Mann und Frau nicht in einem sachlichen Gespräch klären? Frei nach dem Motto: »Du, hör mal, ich finde, wir sollten heiraten, weil deine Farm an meine Farm grenzt und wir so den gemeinsamen Viehweg besser nutzen können. Zwei Kinder wären auch ganz gut, schließlich muss irgendwann jemand die Farm übernehmen. Falls eines von ihnen versagt, ist noch das andere da. Wenn beide als Farmer geeignet sind, können wir unseren Besitz ja wieder trennen.«
    Die Frau, so stellte sich Ruth das Abkommen vor, würde im Kopf den Grenzverlauf der Farm, die Anzahl der Hektar Weidefläche und die Stückzahl des Viehs überdenken und dann Ja oder Nein sagen. Falls sie romantisch veranlagt war, überlegte sie womöglich noch, wie viel Bier der Mann trank, ob er sich für Blümchentapete im Schlafzimmer begeistern könnte und geduldig genug war, den zukünftigen Kindern das Reiten beizubringen. Ihr hingegen war eine Blümchentapete im Schlafzimmer ziemlich gleichgültig – schließlich schloss man beim Schlafen ohnehin die Augen. Wozu also die Umstände?
    Doch Ruth musste sich einmal mehr eingestehen, dass das wahre Leben anders verlief, und zwar weit weniger rational, als es ihr persönlich vorschwebte. Da wurde gelächelt und getuschelt, da wurde gelacht und getanzt und geflirtet, und am Ende war ohnehin meist alles für die Katz.
    Nath wirbelte an ihrem Tisch vorbei. Er hielt ein Mädchen im Arm, seine Augen hielten jedoch schon nach der Nächsten Ausschau. Was für eine Zeitverschwendung! Und doch, merkte Ruth, würde sie womöglich selbst noch sentimental werden, wenn sie den jungen Männern und Frauen weiter zusah oder noch ein viertes Bier trank.
    Entschlossen stand sie auf, trank im Stehen den letzten Rest aus der Bierflasche, zog ihren Rucksack unter dem Stuhl hervor und stakste zum Tisch ihrer Mutter. »Wie sieht es aus? Kommst du mit, oder willst du hier im Hotel übernachten? Vielleicht kann dich morgen jemand zur Farm mitnehmen.«
    Unwillig wandte Rose ihrer Tochter das erhitzte Gesicht zu. »Ach, komm, Liebling, warte noch ein wenig! Es ist gerade mal zehn Uhr. Lass uns noch ein wenig feiern. Wann kommen wir denn schon mal raus aus Salden’s Hill? Amüsierst du dich etwa nicht?«
    »Das ist nicht die Frage, Mutter. Du weißt doch, dass ich morgen früh rausmuss. Um sechs Uhr klingelt der Wecker. Spätestens. Die Sonne kennt keine Rücksicht. Auch morgen Mittag werden wieder vierzig Grad im Schatten sein, und arbeiten kann ich nur, solange es noch einigermaßen kühl ist. Warum nimmst du dir kein Hotelzimmer und kommst morgen nach?«
    Rose beugte sich zu ihr und murmelte so leise, dass nur Ruth sie verstehen konnte: »Zu teuer.« Dann erhob sie sich und verabschiedete sich lächelnd von ihrer Tischgesellschaft: »Ihr Lieben, es war ein wunderschöner Abend. Habt allesamt herzlichen Dank dafür. Die Zeit ging wieder einmal viel zu schnell vorbei. Aber ihr wisst ja, wie das ist: Die Farm ruft.«
    Ruth befürchtete, dass ihre Mutter sogleich damit beginnen würde, Kusshände zu werfen, und zog sie wortlos hinter sich aus dem Tanzsaal zum Dodge. Auch während der Fahrt schwiegen die Frauen lange. Rose hing in Gedanken dem vergangenen Abend nach; Ruth starrte konzentriert auf die dunkle Schotterstraße vor sich. Die Pad war unbeleuchtet, und auch der Mond, der schmallippig am Himmel hing, schaffte es
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