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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste
Autoren: Karen Winter
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Beifahrersitz. »Habe mir gedacht, dass du mich vielleicht brauchen kannst.«
    Horatio rieb sich die Augen, nickte David zu, dann fuhr er langsam und mit einem gehörigen Abstand hinter Kramer her. Er musste vorsichtig sein, denn noch lag Lüderitz im Schlummer, jedes Geräusch war doppelt so laut zu hören als am helllichten Tag.
    Als Horatio sah, dass Kramer den Weg zu den verlassenen Minen einschlug, fluchte er. »Dass ich darauf nicht gekommen bin! Wo sonst sollte er die Frauen auch hinbringen? Bestimmt nicht in seine schicke weiße Villa.«
    »Wovon sprichst du?«, fragte David.
    In kurzen Sätzen erklärte Horatio, was sich seit dem Vortag ereignet hatte. David nickte dazu. »Es war falsch, nur schwarz und weiß zu sehen«, sagte er leise. »Manchmal scheint das Schwarze nämlich weiß zu sein, und in der Dunkelheit sind sowieso alle Weißen schwarz.«
    Horatio erwiderte nichts. Er ahnte, dass David in dieser Nacht viel nachgedacht hatte, und war froh, dass der junge Mann sich entschieden hatte, seine Fehde gegen die Saldens zu beenden. Davida Oshoha wäre sicher stolz auf ihren Enkel gewesen.
    Je näher sie der Mine kamen, desto mehr wurde Horatio bewusst, dass er gegen alle Vernunft die ganze Zeit über gehofft hatte, in der Villa der Kramers ein Lebenszeichen von Ruth und ihrer Großmutter zu entdecken. Jetzt, da er erkannte, wie naiv diese Hoffnung gewesen war, brach ihm der Schweiß aus. Schon oft hatte die Zeitung berichtet, dass irgendwo ein verlassener Stollen zusammengestürzt war. Einmal war Wasser eingedrungen, ein anderes Mal war zu große Trockenheit schuld am Einsturz gewesen.
    Erst als er aus sicherer Entfernung sah, wie Ruth und Margaret aus dem Stollen stolperten, atmete er auf. Doch die Fesseln, die er an den Handgelenken der beiden Frauen erspähte, schnitten ihm ins Herz.
    Horatio zwang sich zur Ruhe, als er zusah, wie Kramer seine beiden Gefangenen ins Auto zerrte. Die ganze Zeit über war er versucht, aus dem Wagen zu springen, zu ihnen zu rennen und Henry Kramer mit bloßen Händen zu erwürgen. Doch er blieb sitzen, nicht nur, weil er erkannte, dass Kramer bewaffnet war, sondern vor allem, weil sein Eingreifen alles noch schlimmer machen würde. David und er waren allein, zwei Schwarze ohne Zeugen, und jedes Gericht des Landes würde sie und die beiden Frauen verurteilen, statt sich um die Machenschaften des Diamond World Trust zu kümmern. Es ging um mehr als nur um den Diamanten. Er musste hier ausharren, wenn er Margaret und Ruth und auch die Farm retten und ihnen zu ihrem Recht verhelfen, wenn er den üblen Machenschaften des Konzerns einen Riegel vorschieben wollte. Er musste warten, auch wenn es ihn viel Beherrschung kostete.
    Es dauerte Horatio viel zu lange, bis der Wagen endlich losfuhr. Doch dass Kramer erst jetzt zurück in Richtung der Stadt fuhr, hatte für Horatio auch Vorteile, denn mittlerweile war die Stadt erwacht, und es war nun nicht mehr ganz so schwierig, Kramer unbemerkt zu folgen. Einmal war es Horatio, als drehte sich Ruth um. Er hoffte, sie würde ihren Wagen erkennen, spüren, dass er in der Nähe war und sie sich nicht länger fürchten musste. Andererseits aber fürchtete er genau das und hoffte, sie würde sich und ihn nicht durch eine unbedachte Bemerkung verraten.
    Im Hafen war es noch einfacher, unbemerkt zu bleiben. Mit Paletten beladene Trucks fuhren hin und her, Kräne wuchteten Lasten auf Trucks und von ihnen auf die Schiffe, Gabelstapler durchquerten das Gelände.
    Horatio musste aufpassen, damit er Kramer in all dem Durcheinander nicht aus den Augen verlor. Zu viele kleine Gassen führten zwischen den riesigen Lagerhallen ins Innere des Hafens und verzweigten sich bald wieder. Doch Horatio hatte Glück; Kramer blieb auf der Hauptstraße, die sich parallel zum Kai entlangzog, und hielt erst, wo der Hafen eigentlich zu Ende war, wo die Hehler und Hasardeure, die windigen Händler und andere undurchsichtige Gestalten ihre halb verfallenen Hütten hatten.
    »Er will aufs Meer«, sagte Horatio fassungslos, als Kramer in einem Bootsverleih verschwand. »Er will mit den Frauen zum Meer! Mein Gott! Was will er dort? Sie ertränken? Den Fischen zum Futter vorwerfen? Das ergibt doch keinen Sinn! Kramer will den Diamanten. Was in Gottes Namen will er am Meer?«
    David schwieg, zuckte nur leicht mit den Schultern.
    Horatio hatte nicht viel Zeit, um nachzudenken. Schon warf ein schwarzer Junge eine Sauerstoffflasche auf die Ladefläche des Pick-up. Schon fuhr
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