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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt
Autoren: Cherry Wilder
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Paroyan, Tsorl-U-Tsorl, Guno Wentroy und Schwarzboß. Besser noch, ich hatte meinen Übersetzerlohn, um meine Freiheit zu erkaufen, und ich wußte, daß Vel Ragan mich im Rathaus erwartete, um mir zu helfen.
    So schritt ich denn bei strahlendem Frühlingswetter über die rote Straße, und hinter meinen Augen entstand ein merkwürdiger Gedanke. „Uvoro …“ sagte der Wind, als er die trockenen Büsche am Straßenrand schüttelte. „Uvoro …“ rief der Vogel, der hoch am Himmel kreiste. Freiheit. Denn sogar bei Leuten, die wir lieben, sogar bei interessanter Arbeit gilt es, Schulden zu begleichen, Versprechen zu halten. Wir können nicht völlige Freiheit empfinden. Sie ist eine einsame Sache.
    Außerhalb der Sichtweite von Sarunin rastete ich auf einem Hügel und blickte nach Süden. Ich konnte einen hellen Streifen jenseits der Küstentäler und niedrigen Hügel erkennen: das Große Meer. Dann sah ich in der Ferne, nach Tsagul hin, eine Staubwolke. Ich wartete und sah, daß eine Gruppe von Leuten auf mich zukam; sie sahen weder nach Trägern, noch nach Kaufleuten aus. Als sie näher kamen, blinzelte ich in der Tat und rieb mir die Augen. Sie waren zu fünft, zu siebt und trugen Flachsröcke. Da stand ich und schaute sie so höflich an, wie ich konnte, und sogleich begrüßten sie mich.
    Eine große weibliche Person mit einem Stirnband verbeugte sich und sagte: „Guten Wind, junge Wanderin! Vielleicht könnt Ihr uns helfen?“
    „Guten Wind, Freunde“, erwiderte ich. „Ich helfe Euch gern, wenn ich dazu imstande bin. Seid Ihr durch Tsagul gekommen?“
    „Nein“, sagte die Anführerin. „Wir haben den Datse oberhalb der Feuerstadt überquert. Wir kommen aus dem Fernen Westen. Wir haben gehört, daß ein seltsames Wesen vom Himmel gefallen ist und daß eine Aussprachekette stattfindet …“
    Innerlicht lachte ich vor Wonne. Ich verbeugte mich höflich und erwiderte: „Ehrlich gestanden, meine Freunde, so kommt Ihr etwas zu spät. Aber Wesen namens Menschen sind in dieses Land gekommen, und ihr Lager befindet sich ein Stück weiter an dieser Straße in einem Tal namens Sarunin. Geht hin und betrachtet ihre Wunder … es ist völlig ungefährlich. Fragt nach dem moruianischen Helfer, Ablo Binigan, der Rundführungen veranstaltet und Bilder zeigt. Sagt, daß Yolo Horn Euch geschickt habe.“
    Sie stellten mir noch einige Fragen und setzten dann ihren Weg fort. So kehrte ich nach zwei Tagen und Nächten, am Straßenrand rastend, in meine Heimatstadt, die alte, trockene Alltagsstadt Tsagul zurück. Ich ging gleich am dritten Morgen meiner Wanderung zum Rathaus, und Vel Ragan hatte bereits meine Begnadigung in der Hand.
    „Du hast einen Freund, Yolo Horn“, sagte er. „Ein Drittel der Strafe war schon gestrichen worden.“
    Ich konnte mir nicht denken, wer dieser Freund sein mochte, aber ich vermutete, daß es Tsorl-U-Tsorl war. Ich nahm mir nicht die Zeit, mich im Rathaus danach zu erkundigen. Ich dankte Vel Ragan und entlohnte ihn für seine Bemühungen. Nachdem ich ein paar Stunden die Sonne auf dem Marktplatz genossen hatte, machte ich mich aus der Stadt nach Norden auf. Mein Ziel war ein ganz bestimmter Ort an den Datse-Kanälen gleich hinter der Stadt, denn dort arbeitete Morritt. Sie hatte das Haus beschrieben – ein graues Rundhaus mit einem schmalblättrigen Rotholzbaum im Vorhof, eine Webermeile von der Lebbin-Schleuse entfernt. So ging ich durch die warmen Straßen, in denen Kinder sangen, und beobachtete einen gelegentlichen Gleiter über mir, der mir bestätigte, daß ich wieder daheim war. Eine Weile nach Mittag erblickte ich den Baum und das Haus. Zwei oder drei Kinder rannten dort herum und blieben stehen, um mich anzuglotzen, als ich herankam. Ein weibliches Wesen, alt und kräftig, grub neben dem kleinen grauen Rundhaus; es war Morritt.
    Sie drehte sich um und lugte unter dem Rand ihres Sonnenhuts hervor, dann ließ sie ihren Spaten fallen und kam mir entgegen. Wir sagten kein Wort, wir konnten es nicht; ich drückte sie an mich und weinte. Es war Morritt, meine echte Verwandte und meine liebe Mutter. Andere Leute kamen aus der Umgebung, und jeder sprach davon, daß Morritts Kind „von der See“, wie sie es höflich ausdrückten, heimgekehrt sei.
    Etwas in dem Gesicht des ältesten Kindes ließ mich plötzlich fragen: „Aber wessen Haus ist das?“
    „Weißt du es nicht?“ fragte Morritt und rieb sich die Augen. „Es ist das Haus von Tenn Tennroy an. Es geht ihm inzwischen viel
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