Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
die Beine, nahm ein kleines Handtuch zu Hilfe, um die Blutung zu stillen, und kleidete sich an. Es kostete sie Mühe, sich das Kleid zuzuknöpfen, den Gürtel umzulegen. Sie zog sich nicht die Strümpfe an, nur die Schuhe, und als sie sich in einem der Spiegel betrachtete, sah sie ihr von Lippenstift und Wimperntusche verschmiertes Gesicht. Sie hielt sich nicht damit auf, sich zu säubern; er konnte seine Meinung ändern. Losrennen, das Mahagonihaus verlassen, entkommen. Als sie in das Zimmer zurückkehrte, war Trujillo nicht mehr nackt. Er hatte sich in seinen blauseidenen Morgenmantel gehüllt und hielt ein Glas Cognac in der Hand. Er zeigte ihr die Treppe: »Geh, geh.« Er verschluckte sich. »Benita soll saubere Laken und eine Bettdecke bringen, sie soll mir diesen Dreck fortschaffen.«
    »Auf der ersten Stufe bin ich gestolpert und hab mir den Absatz eines Schuhs abgebrochen, fast wäre ich die drei Stockwerke runtergerollt. Der Knöchel schwoll später stark an. Benita Sepúlveda stand im Erdgeschoß. Ganz ruhig, sie lächelte mich an. Ich wollte ihr sagen, was er mir aufgetragen hatte. Ich brachte kein einziges Wort hervor. Ich konnte nur nach oben zeigen. Sie nahm mich beim Arm und führte mich zu den Wachsoldaten, am Eingang. Sie zeigte mir eine Nische mit einem Stuhl: ›Hier putzen sie dem Chef die Stiefel.‹ Weder Manuel Alfonso noch sein Wagen waren da. Benita Sepúlveda ließ mich auf dem Schuhputzerstuhl Platz nehmen, umgeben von Wachsoldaten. Sie ging, und als sie zurückkam, führte sie mich am Arm zu einem Jeep. Der Fahrer war ein Militär. Er brachte mich nach Ciudad Trujillo. Als er mich fragte: ›Wo wohnen Sie‹, antwortete ich ihm: ›Bitte zur Santo-DomingoSchule. Ich wohne dort.‹ Es war noch dunkel. Drei Uhr, vier Uhr, wer weiß. Es dauerte eine Weile, bis sie das Gitter öffneten. Ich konnte noch immer nicht sprechen, als der Wächter kam. Nur mit Sister Mary, der Nonne, die mich so gern hatte. Sie brachte mich ins Refektorium, sie gab mir Wasser, sie befeuchtete mir die Stirn.« Samson, seit längerem stumm, äußert wieder einmal seine Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit aufgeplusterten Federn und lautem Gekreisch. Niemand sagt etwas. Urania nimmt ihr Glas, aber es ist leer. Marianita füllt es ihr; sie ist nervös und verschüttet den Krug. Urania trinkt einige Schlucke frischen Wassers.
    »Ich hoffe, es hat mir gutgetan, euch diese Schauergeschichte zu erzählen. Und jetzt vergeßt sie. Es ist vorbei. Es ist geschehen, und nichts ist zu ändern. Jemand anderes hätte es vielleicht überwunden. Ich wollte und ich konnte nicht.«
    »Uranita, was sagst du da«, protestiert Manolita. »Wieso nicht? Denk doch nur, was du erreicht hast. Was du hast. Ein Leben, um das dich alle Dominikanerinnen beneiden würden.«
    Sie steht auf und geht zu Urania. Sie umarmt sie, küßt sie auf die Wangen.
    »Du machst mich sprachlos, Uranita«, sagt Lucinda mit liebevollem Vorwurf. »Wie kannst du nur klagen, Mädchen. Du hast kein Recht dazu. Für dich gilt nun wirklich dieser Spruch, daß jedes Übel auch sein Gutes hat. Du hast an der besten Universität studiert, hast Erfolg in deinem Beruf. Du hast einen Mann, der dich glücklich macht und dich nicht bei deiner Arbeit behindert…«
    Urania klopft ihr auf den Arm und schüttelt den Kopf. Der Papagei verstummt und hört zu.
    »Ich habe dich angelogen, ich habe keinen Liebhaber.« Sie bringt ein halbes Lächeln zuwege, ihre Stimme ist noch gebrochen. »Ich habe nie einen gehabt, und ich werde nie einen haben. Willst du alles wissen, Lucindita? Nie wieder hat ein Mann mich angefaßt, seit damals. Mein einziger Mann war Trujillo. Du hast richtig gehört. Jedesmal, wenn sich einer nähert und mich als Frau ansieht, fühle ich Ekel. Horror. Das Bedürfnis, ihn tot zu sehen, ihn umzubringen. Es ist schwer zu erklären. Ich habe studiert, gearbeitet, ich verdiene gutes Geld, das stimmt. Aber ich bin leer und voller Angst, immer noch. Wie diese Alten in New York, die den Tag im Park verbringen und ins Leere starren. Arbeiten, arbeiten, arbeiten, bis zum Umfallen. Kein Grund, mich zu beneiden, das kann ich dir versichern. Eher beneide ich euch. Ja, ja, ich weiß, ihr habt Probleme, Geldnöte, Enttäuschungen. Aber auch eine Familie, einen Partner, Kinder, Verwandte, ein Land. Diese Dinge erfüllen ein Leben. Aus mir haben Papa und Seine Exzellenz eine Wüste gemacht.«
    Samson hat angefangen, nervös zwischen den Stäben seines Käfigs hin und her zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher