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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ihren Magen berührte, den nach Cognac riechenden Atem, die laue
    Hand, die sich um ihre Taille legte. Sie glaubte, sie würde ohnmächtig werden. Lucho Gatica sang nicht mehr Besame mucho, sondern Alma mía.
    »Er tanzte sehr gut, das stimmte. Er hatte ein gutes Gehör und bewegte sich wie ein junger Mann. Ich war es, die aus dem Takt geriet. Wir tanzten zwei Boleros und eine Guaracha von Tona la Negra. Auch Merengues. Er sagte, es sei ihm zu verdanken, daß man jetzt in den Klubs und in den anständigen Häusern Merengue tanze. Früher hätte es Vorurteile gegeben, die feinen Leute hätten behauptet, das sei Musik für Neger und Indianer. Ich weiß nicht, wer die Schallplatten wechselte. Als der letzte Merengue zu Ende war, küßte er mich auf den Hals. Ein sanfter Kuß, der mir Gänsehaut machte.«
    Er führte sie zum Sofa zurück, wobei er sie an der Hand hielt, die Finger ineinander verschränkt, und setzte sich dicht neben sie. Er musterte sie amüsiert, während er an seinem Cognac schnupperte, kleine Schlucke nahm. Er wirkte ruhig und zufrieden.
    »Bist du immer eine Sphinx? Nein, nein. Es muß daran liegen, daß du zu großen Respekt vor mir hast«, sagte Trujillo lächelnd. »Ich mag reservierte Schönheiten, die sich bewundern lassen. Die gleichgültigen Göttinnen. Ich werde dir einen Vers aufsagen, der für dich geschrieben wurde.« »Er sagte mir ein Gedicht von Pablo Neruda auf. Ins Ohr, wobei er mit seinen Lippen und seinem Schnurrbart mein Ohr, mein Haar streifte: ›Du gefällst mir, wenn du schweigst, dann scheinst du abwesend zu sein; es ist, als seien dir deine Augen davongeflogen und als habe ein Kuß deinen Mund versiegelt.‹ Als er zu ›versiegelt‹ kam, drehte er mit der Hand mein Gesicht zu sich um und küßte mich auf die Lippen. An diesem Abend tat ich eine Menge Dinge zum ersten Mal: Sherry trinken, Mamas Schmuck anlegen, mit einem Alten von siebzig Jahren tanzen und meinen ersten Kuß auf den Mund bekommen.« Sie war zu Festen mit Jungen gegangen, und sie hatte getanzt, aber nur einmal zuvor hatte ein Junge sie geküßt, auf die Wange, bei einer Geburtstagsfeier im großen Haus der Familie Vicini,
    an der Kreuzung der Máximo Gómez und der Avenida George Washington. Er hieß Casimiro Sáenz und war der Sohn eines Diplomaten. Er forderte sie zum Tanzen auf, und als der Tanz zu Ende war, spürte sie seine Lippen im Gesicht. Sie errötete bis zu den Haarwurzeln, und als sie diese Sünde bei der Freitagsbeichte gegenüber dem Schulkaplan aufzählte, konnte sie vor Scham kaum sprechen. Aber der damalige Kuß war nicht wie dieser: der Schnurrbart Seiner Exzellenz kratzte ihre Nase, und jetzt versuchte seine Zunge, eine klebrige, warme Spitze, hartnäckig, ihren Mund zu öffnen. Sie widerstand, aber dann öffnete sie Lippen und Zähne: eine feuchte, feurige kleine Schlange drängte sich in ihre Mundhöhle und bewegte sich gierig hin und her. Sie verschluckte sich. »Du kannst nicht küssen, meine Schöne«, sagte Trujillo lächelnd und küßte ihr abermals die Hand, angenehm überrascht. »Du bist Jungfrau, nicht wahr?« »Er war erregt«, sagt Urania, den Blick ins Leere gerichtet. »Er hatte eine Erektion.«
    Manolita gibt ein kurzes hysterisches Kichern von sich, aber weder ihre Mutter noch ihre Schwester, noch ihre Nichte tun es ihr nach. Ihre Cousine senkt verwirrt den Blick.
    »Tut mir leid, ich muß von Erektionen reden«, sagt Urania. »Wenn ein Mann sich erregt, dann wird sein Geschlecht hart und größer. Als er mir seine Zunge in den Mund steckte, erregte sich Seine Exzellenz.« »Gehen wir nach oben, meine Schöne«, sagte er mit leicht belegter Stimme. »Dort haben wir es bequemer. Du wirst etwas Wunderbares entdecken. Die Liebe. Die Lust. Du wirst Lust empfinden. Ich werde dein Lehrer sein. Hab keine Angst vor mir. Ich bin nicht die Bestie Petán, mich erregt es nicht, wenn ich die Mädchen brutal behandle. Ich mag es, wenn sie auch etwas davon haben. Ich werde dich glücklich machen, meine Schöne.«
    »Er war siebzig und ich vierzehn«, präzisiert Urania zum fünften oder zehnten Mal. »Wir waren ein sehr ungleiches Paar, als wir diese Treppe mit metallischem Treppenlauf und Holzgeländer hinaufstiegen. Hand in Hand, wie Brautleute. Der Großvater und die Enkelin, Richtung Hochzeitsbett.«
    Die Nachttischlampe brannte, Urania sah das quadratische gußeiserne Bett mit dem zurückgeschlagenen Moskitonetz, und sie hörte die Schaufeln des Ventilators, die sich langsam an der
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