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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof
Autoren: Cornell Woolrich
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mich, ob er auch so ruhig dabliebe, wenn
er wüßte, was vorging, oder ob er dann hinausstürzen würde, um zu fliehen. Das
hing wohl gar nicht so sehr davon ab, ob er schuldig war, sondern vor allem
davon, wie sicher er sich fühlte, wie fest er glaubte, sie austricksen zu
können. Von seiner Schuld war ich bereits überzeugt, sonst hätte ich Boyne
nicht angerufen.
    Um drei klingelte das Telefon. Boyne
rief mich zurück. »Jeffries? Also, ich weiß nicht. Kannst du mir nicht ein
bißchen mehr geben als nur diese unbewiesene Behauptung ?«
    »Wieso ?« wich
ich aus. »Wieso sollte ich ?«
    »Ich hab einen meiner Leute da
hingeschickt, hab ihn nachforschen lassen. Eben hab ich seinen Bericht gelesen.
Der Hausmeister und mehrere Wohnungsnachbarn erklären übereinstimmend, daß sie
aus gesundheitlichen Gründen aufs Land gefahren ist, und zwar gestern morgen .«
    »Moment mal. Was sagt dein Mann, hat
einer von ihnen gesehen , wie sie wegging ?«
    »Nein.«
    »Dann hast du lediglich eine durch
nichts gestützte Behauptung von ihm selbst aus zweiter Hand, und keinen
Augenzeugenbericht .«
    »Jemand hat ihn getroffen, als er vom
Bahnhof zurückkam, wo er ihr eine Fahrkarte gekauft und sie in den Zug gesetzt
hat .«
    »Noch eine nachgeplapperte, durch
nichts gestützte Behauptung von ihm selbst.«
    »Ich hab einen Beamten zum Bahnhof
geschickt, um festzustellen, ob sich der Schalterbeamte vielleicht an ihn
erinnert. Er müßte ziemlich aufgefallen sein, so früh am Morgen. Und wir
beobachten ihn natürlich weiter, verfolgen jeden seiner Schritte. Sobald sich
eine Gelegenheit bietet, schauen wir uns mal in der Wohnung um .«
    Ich hatte das Gefühl, daß sie das ruhig
tun konnten, daß sie da auch nichts finden würden.
    »Erwarte von mir nichts weiter. Ich hab
dir die Sache in den Schoß gelegt. Mit allem, was ich dir geben konnte. Einem
Namen, einer Adresse und meiner Meinung.«
    »Ja, und deine Meinung hab ich bisher
immer sehr hoch eingeschätzt, Jeff...«
    »Das tust du diesmal nicht, stimmt’s ?«
    »Doch, doch. Das Problem ist, wir sind
auf nichts gestoßen, was deinen Eindruck bestätigen würde, bis jetzt zumindest .«
    »Ihr seid noch nicht allzuweit
gekommen, bis jetzt zumindest .«
    Er griff wieder zu seinem mir bereits
bekannten Spruch: »Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Ich werd’s dich
wissen lassen .«
    Eine weitere Stunde verstrich, und die
Sonne ging unter. Ich sah, wie er sich drüben zum Ausgehen fertig machte. Er
setzte den Hut auf, steckte eine Hand in die Tasche und schaute einen
Augenblick lang darauf hinab, ohne sich von der Stelle zu rühren. Er
vergewissert sich, ob er genug Kleingeld dabei hat, dachte ich. Es weckte in
mir ein merkwürdiges Gefühl unterdrückter Erregung, zu wissen, daß sie kommen
würden, sobald er die Wohnung verlassen hatte. Als ich sah, wie er ein letztes
Mal um sich schaute, dachte ich voller Grimm: Wenn du was zu verstecken hast,
dann wird’s jetzt höchste Zeit, mein Freund.
    Er ging durch die Eingangstür hinaus.
Eine atemlose Spanne lang legte sich täuschende Leere über die Wohnung. Nicht
einmal ein Großbrand hätte meinen Blick jetzt von diesem Fenster weglocken
können. Plötzlich ging die Tür, durch die er eben die Wohnung verlassen hatte,
ein Stück weit auf, und zwei Männer schoben sich, einer hinter dem anderen,
vorsichtig herein. Na also. Sie zogen die Tür ins Schloß und machten sich,
jeder für sich, sofort an die Arbeit. Einer nahm sich das Schlafzimmer vor, der
andere die Küche, und von diesen entgegengesetzten Enden der Wohnung arbeiteten
sie sich nun vorwärts, aufeinander zu. Sie waren gründlich. Ich sah, wie sie
alles von oben bis unten durchsuchten. Das Wohnzimmer nahmen sie sich gemeinsam
vor. Einer inspizierte die linke Hälfte, der andere die rechte.
    Als das Warnsignal sie erreichte, waren
sie bereits fertig. Das erkannte ich daran, wie sie sich aufrichteten und
einander einen Augenblick lang frustriert ansahen. Dann ruckten ihre beiden
Köpfe plötzlich herum, als hätte ein kurzes Klingeln sie gewarnt, daß er
zurückkam. Sie verließen schnell die Wohnung.
    Meine Enttäuschung war nicht allzu
groß, ich hatte nichts anderes erwartet. Schon die ganze Zeit hatte ich das
Gefühl gehabt, daß sie da drin nichts Besonderes finden würden. Der Koffer war
weg.
    Er kam mit einer riesigen braunen
Papiertüte im Arm herein. Ich beobachtete ihn sorgsam, weil ich wissen wollte,
ob er bemerkte, daß in seiner Abwesenheit jemand in der
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