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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd
Autoren: Agatha Christie
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immer Aushilfsmädchen beschafft – Regency heißt sie, so ein dummer Name, klingt wie im Kino…«
    »Mrs Oliver, ich muss…«
    »Und wissen Sie, wen man mir schickte?«
    »Keine Ahnung. Es interessiert mich…«
    »Eine Frau namens Edith Binns – komisch, nicht wahr? Sie kennen Sie nämlich.«
    »Nein, ich habe den Namen noch nie gehört. Aber ich…«
    »Sie kennen sie und haben sie sogar erst vor kurzem gesehen, denn sie war jahrelang bei Ihrer Patin angestellt – bei Lady Hesketh-Dubois.«
    »Oh – bei Tante Min!«
    »Ja. Diese Edith Binns erzählte mir, Sie hätten vor Kurzem dort ein paar Bilder abgeholt, die…«
    »Nun, das ist sehr nett, und ich nehme an, Sie sind froh, eine solche Perle gefunden zu haben. Ich weiß, dass meine Patin äußerst zufrieden mit ihrer Haushälterin war. Nun muss ich aber wirklich…«
    »So warten Sie doch! Ich bin ja noch gar nicht bei der Hauptsache. Also diese Edith Binns saß da und erzählte mir eine Menge über ihre frühere Herrin, über ihre letzte Krankheit und all das, weil solche Frauen doch immer gern über Krankheiten sprechen – und da sagte sie es!«
    »Was sagte sie?« Ich konnte meine Ungeduld kaum mehr beherrschen.
    »Eben das, was mich aufhorchen ließ. Sie schwatzte lauter Zeug wie, ›ach, die gute arme Dame, dass sie so leiden musste. Dieses Geschwür in ihrem Kopf, wie man sagte – und dabei war sie vorher immer ganz gesund. Sie tat einem so leid, dort im Krankenhaus. Und zu sehen, wie ihr die schönen grauen Haare in ganzen Büscheln ausfielen!‹ – Und da, Mark, da dachte ich an meine Freundin Mary Delafontaine. Auch ihr Haar fiel aus. Gleichzeitig kam mir in den Sinn, was Sie mir von einem jungen Mädchen in Chelsea erzählt hatten… das Mädchen, das mit einem anderen in Streit geriet, und wie dieses ihm ganze Büschel von Haaren ausriss. Mark! Haare fallen nicht so leicht aus. Versuchen Sie es nur einmal selbst – zupfen Sie sich ein paar Haare mit den Wurzeln aus und Sie werden es sehen! Mark, es ist unnatürlich, dass all diesen Leuten das Gleiche geschah… Haarausfall… büschelweise! Da muss es sich um eine ganz besondere, neue Krankheit handeln – und es muss etwas zu bedeuten haben!«
    Meine Hand krampfte sich um den Hörer, mein Kopf wirbelte. Halb vergessene Brocken von Gesprächen tauchten in meiner Erinnerung auf und verbanden sich miteinander. Rhoda mit ihrem Hund auf dem Rasen – ein Artikel, den ich in einer medizinischen Zeitschrift gelesen hatte… o ja, natürlich, so musste es sein!
    Auf einmal wurde mir bewusst, dass Mrs Oliver immer noch weiterschwatzte.
    »Mrs Oliver – Sie sind meine Rettung! Ich kann Ihnen nicht genug danken!«
    Hastig legte ich den Hörer auf – nur um ihn gleich darauf wieder hochzunehmen. Ich wählte eine Nummer und hatte das Glück, diesmal direkt mit Inspektor Lejeune verbunden zu werden.
    »Hören Sie zu, Inspektor«, fragte ich drängend, »fallen bei Ginger die Haare büschelweise aus?«
    Er schien ziemlich erstaunt zu sein. »Ja, es ist tatsächlich so; wahrscheinlich eine Folge des Fiebers.«
    »Quatsch – Fieber! Wissen Sie, worin Gingers Krankheit besteht? Thalliumvergiftung! Alle diese Leute starben an Thalliumvergiftung. Gebe Gott, dass wir noch rechtzeitig was unternehmen können!«

36
     
    » K ommt die Hilfe noch rechtzeitig? Wird sie am Leben bleiben?« Ruhelos wanderte ich auf und ab; ich konnte nicht sitzen.
    Lejeune betrachtete mich gelassen und freundlich.
    »Sie können sicher sein, dass alles Menschenmögliche getan wird.«
    Die alte, immer gleiche Antwort. Sie bot mir keinen Trost.
    »Wissen die Ärzte auch, wie man eine Thalliumvergiftung behandelt?«
    »Solche Fälle kommen sehr selten vor. Aber es wird alles versucht. Und wenn Sie meine Ansicht wissen wollen: Ich bin überzeugt, sie wird es überstehen.«
    Ich schaute ihm starr in die Augen. Wie sollte ich wissen, ob er wirklich die Wahrheit sprach – oder mich bloß beschwichtigen wollte?
    »Aber es ist festgestellt worden, dass es sich wirklich um Thallium handelt?«
    »Ja, das wurde genau überprüft. Und es stimmt.«
    »Das also ist es, was hinter dem ›Fahlen Pferd‹ steckt. Ganz gewöhnliches Gift – keine Hexerei, kein Hypnotismus, keine wissenschaftlichen Todesstrahlen. Und dabei hat sie mir den Brocken direkt hingeworfen, zum Teufel auch! Hat sich lustig gemacht über mich.«
    »Was schwatzen Sie da?«
    »Thyrza Grey – an jenem Nachmittag, als ich zum Tee dort war. Sprach über die Borgias und den
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