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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd
Autoren: Agatha Christie
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erklärte sie. »Schien etwas verblüfft über die Symptome, meinte aber, es sei wahrscheinlich eine Grippe. Grassiert gegenwärtig ziemlich stark. Er hat mich ins Bett gesteckt und will mir eine Medizin schicken. Ich habe ziemlich hohes Fieber, aber das ist bei einer Grippe meistens so, nicht wahr?«
    Ein hilfloses Flehen klang in der rauen Stimme, trotz der vorgeschützten Tapferkeit.
    »Es wird bald wieder besser, mein Liebling«, flüsterte ich verzweifelt. »Hörst du – es wird bestimmt wieder besser! Fühlst du dich sehr elend?«
    »Nun… das hohe Fieber… und Schmerzen überall… Haut und Glieder. Jede leiseste Berührung tut mir weh. Und mir ist so heiß… so schrecklich heiß…«
    »Das ist das Fieber, Liebstes. Hör zu, ich komme sofort zu dir. Ich fahre gleich los, jetzt, in dieser Minute noch… Nein, keine Einwendungen – ich komme!«
    »Ach ja. Ich bin so froh, Mark, wirklich. Ich… ich bin doch wohl nicht so tapfer, wie ich dachte.«
    Ich rief sofort Lejeune an.
    »Miss Corrigan ist krank«, sagte ich kurz.
    »Was?«
    »Sie haben es gehört. Sie ist krank. Ihr Hausarzt war bei ihr, er meint, es könne sich um Grippe handeln. Mag sein – mag aber auch nicht sein. Ich weiß nicht, was Sie jetzt tun könnten. Vielleicht wäre es gut, einen Spezialisten zu ihr zu schicken.«
    »Was für ein Spezialist sollte das sein? Wir wissen ja nicht…«
    »Einen Psychiater oder Psychoanalytiker – so etwas. Ein Mann, der über Suggestion und Hypnose und all das Zeug Bescheid weiß. Dafür gibt es doch Leute, nicht wahr?«
    »Natürlich. Sie haben vollkommen Recht. Aber vielleicht handelt es sich wirklich bloß um eine Grippe…«
    Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Mich kümmerte einzig und allein Ginger, meine tapfere, verängstigte kleine Ginger. Das hatten wir beide nicht geglaubt – oder doch? Nein, bisher hatten wir nur mit dem Gedanken gespielt. Aber es war kein Spiel mehr. Das »Fahle Pferd« war bittere Realität.
    Ich ließ den Kopf in die Hände sinken und stöhnte.

34
     
    N ie im Leben werde ich die nächsten Tage vergessen. Sie waren ein wahres Tohuwabohu – ein hektisches, formloses Kaleidoskop. Ginger wurde in ein Privatkrankenhaus überführt. Ich durfte sie nur zu den Besuchsstunden sehen. Gingers Bronchien waren entzündet und ihre Symptome waren absolut nicht geheimnisvoll. Sie musste sich erkältet haben, und zwar sehr stark.
    Ich mied alle meine früheren Bekannten, doch die Einsamkeit und Angst wurden auf die Dauer unerträglich.
    In meiner Verzweiflung rief ich schließlich Poppy in ihrem Blumengeschäft an. Vielleicht war durch diese Quelle doch etwas zu erfahren. Ich fragte sie, ob sie Lust hätte, am Abend mit mir essen zu gehen, und sie sagte mit Vergnügen zu.
    Poppy plapperte drauflos und ich fand ihre Gesellschaft recht beruhigend. Doch das war schließlich nicht der Grund meiner Einladung gewesen. Nachdem ich sie durch ausgiebiges Essen und Trinken in eine selige Stumpfheit versetzt hatte, begann ich mich sachte vorzutasten. Mir schien es durchaus möglich, dass Poppy noch etwas wusste, ohne sich vielleicht selbst über die Bedeutung dieses Wissens klar zu sein. Ich fragte sie, ob sie sich noch an meine Freundin Ginger erinnere.
    »Aber natürlich«, gab sie zurück und erkundigte sich, was Ginger jetzt mache.
    »Sie ist sehr krank«, erklärte ich.
    »Ach, die Ärmste!«, rief sie und legte alles Mitleid in ihre Stimme, dessen sie fähig war – was allerdings wenig genug war.
    »Ginger hat sich da auf etwas eingelassen«, fuhr ich fort. »Ich glaube sogar, sie hat Sie deswegen um Rat gefragt. Es handelt sich um diese merkwürdige Sache mit dem ›Fahlen Pferd‹. Hat sie eine schöne Stange Geld gekostet.«
    »Oh!«, wisperte Poppy mit weit aufgerissenen Augen. »Sie sind das also?«
    Im ersten Moment verstand ich diese Bemerkung nicht. Dann aber dämmerte mir, dass Poppy mich für jenen erfundenen Mann hielt, dessen kranke Frau den Hemmschuh zu Gingers Glück bedeuten sollte. Poppy war so hingerissen von diesem »Wissen um unser Geheimnis«, dass sie ganz vergaß, über die Erwähnung des »Fahlen Pferdes« zu erschrecken.
    Sie atmete heftig. »Hat es geklappt?«
    »Nicht ganz – etwas ging schief. Wie ein Bumerang: Das Ganze ist auf Ginger zurückgesaust, denn sie ist jetzt… krank. Haben Sie schon jemals von einem derartigen Fall gehört?«
    Poppy schüttelte den Kopf.
    »Natürlich wissen Sie Bescheid über all die Dinge, die dort in Much Deeping vor sich gehen,
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