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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd
Autoren: Agatha Christie
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schilderte er mir, wie brennend gern er einmal Hauptzeuge in einem Mordprozess gewesen wäre. Ich glaube, hier war er ehrlich; sein Geist dürfte sich sehr oft in dieser Richtung bewegt haben. Vielleicht basiert darauf sogar der Gedanke, selbst ein großer Verbrecher zu werden – ein so überwältigend kluger, dass er nie vor Gericht gestellt werden könnte.
    Doch das ist alles nur Vermutung. Gehen wir also wieder zurück. Osbornes Beschreibung des Mannes, den er gesehen haben wollte, war recht aufschlussreich. Ganz offenbar beschrieb er eine Person, die er wirklich einmal beobachtet hatte. Die Schilderung war zu exakt, um einfach aus der Luft gegriffen zu sein. Ich schätze, er hat Venables einmal in seinem Auto in Bournemouth gesehen und konnte daher nicht wissen, dass dieser gelähmt war.
    Ein anderer Grund, der mein Interesse an Mr Osborne erweckte, lag darin, dass er Apotheker war. Ich hielt es anfänglich für möglich, dass Pater Gormans Liste etwas mit Rauschgifthandel zu tun haben könnte. Das war jedoch nicht der Fall und mithin hätte ich Mr Osborne vergessen können… wenn er selbst es nicht anders beschlossen hätte. Er wollte nun einmal eine Rolle spielen und natürlich lag ihm auch daran zu erfahren, wie weit wir in der Angelegenheit gekommen waren. Deshalb schrieb er mir einen Brief, worin er angab, den fraglichen Mann auf einem Fest in Much Deeping gesehen zu haben. Immer noch wusste er nicht, dass Mr Venables gelähmt war. Als er es erfuhr, hatte er nicht genügend Verstand, um sich zurückzuziehen und zuzugeben, er habe sich geirrt. Das ließ seine Eitelkeit nicht zu. Wie ein rechter Narr klammerte er sich an seine Behauptungen und stellte eine Menge unsinniger Theorien auf.«
    »Und auf diese Theorien bin auch ich hereingefallen«, bemerkte ich bitter.
    »Hm – nun, ich stattete ihm einen recht interessanten Besuch in Bournemouth ab. Schon der Name seines Bungalows hätte mir einen deutlichen Hinweis geben sollen: ›Everest‹ nannte er das Häuschen und in der Halle hing ein großes gerahmtes Bild des Mount Everest. Er erzählte mir des Langen und Breiten, welchen Anteil er an den Himalaja-Expeditionen nehme. Doch das war bloß ein billiger Scherz. Ever rest, das war die eigentliche Bedeutung des Namens: Ewige Ruhe. Das war sein Geschäft, sein Beruf. Er verhalf den Menschen zur ewigen Ruhe… vorausgesetzt, dass ihm ein gehöriger Brocken dafür bezahlt wurde. Seine Organisation war großartig aufgebaut, das muss man ihm lassen. Bradley in Birmingham und Thyrza Grey mit ihren Séancen in Much Deeping. Wer hätte jemals den harmlosen Apotheker Osborne verdächtigen sollen, der gar keine Verbindung mit Bradley und Thyrza Grey noch auch mit dem jeweiligen Opfer hatte? Die eigentliche Ausführung des Verbrechens, das Präparieren bestimmter Gegenstände, war für einen Apotheker natürlich ein Kinderspiel. Wie gesagt, hätte Mr Osborne sich still verhalten, säße er jetzt nicht hinter Schloss und Riegel.«
    »Was fing er denn mit all dem Geld an? Schließlich beging er seine Verbrechen doch um des Geldes willen.«
    »Natürlich. Wahrscheinlich sah er sich schon als großen Weltreisenden, als wichtige, einflussreiche Persönlichkeit. Nur war er nicht der Mensch, für den er sich hielt. Ich glaube, sein ganzer Machthunger wurde bereits durch die Ausführung der Verbrechen gestillt. Er war völlig benebelt von seiner Macht, einen Menschen nach dem anderen umbringen zu können. Er genoss die Situation – und ich möchte wetten, er wird sie noch auf der Anklagebank genießen: Er als Hauptperson und alle Augen auf ihn gerichtet. Sie werden sehen, ob ich Recht habe.«
    »Ich weiß immer noch nicht, was er mit seinem Geld anfing.«
    »Das ist sehr einfach. Der Mann war ein Geizkragen, wie er im Buche steht. Er liebte das Geld um des Geldes willen – nicht, um es auszugeben. Sein Bungalow war sehr spärlich und schäbig möbliert, und jedes Stück hatte er billig auf Versteigerungen erstanden.«
    »Glauben Sie denn, er hat alles Geld auf die Bank getragen?«
    »O nein, bestimmt nicht. Ich möchte behaupten, dass wir sein ganzes Vermögen unter den Fliesen seines Häuschens oder in einer Wand versteckt finden.«
    Lejeune und ich blieben eine Weile stumm, während der ich über jene seltsame Kreatur nachdachte, die Zacharias Osborne hieß.

40
     
    I n Much Deeping war alles erfreulich normal. Rhoda war wieder einmal damit beschäftigt, ihre Hunde zu kurieren – ich glaube, diesmal handelt es sich um
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