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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Dinah McCall
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noch nicht, aber heute Abend würde sie ihn zum Dinner einladen. Sie konnte es kaum erwarten, sein Gesicht zu sehen, wenn sie ihm von ihrem ersten Sieg erzählte.
    Sie sah sich ein letztes Mal in ihrem Büro um, griff nach dem Telefon und rief ein Taxi. Bis sie die fünfzehn Etagen bis zum Ausgang aus dem Bürogebäude zurückgelegt hatte, in dem sich die Anwaltskanzlei befand, in der sie arbeitete, würde das Taxi schon vorgefahren sein. Sie strich ihren Nadelstreifenanzug glatt, legte den Regenmantel über den Arm und griff nach ihrer Aktentasche, als das Telefon klingelte.
    „Oh nein, heute nicht mehr“, murmelte sie und ging zur Tür.
    Aber das Klingeln hörte nicht auf. Es könnte Jonathan sein, dachte sie. Es wäre ärgerlich, wenn sie den ganzen Weg zurücklegen würde, um dann festzustellen, dass er absagen musste. Sie eilte zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
    „Hallo? Ja, Sie sprechen mit Lynn Goldberg.“
    Es folgte ein Augenblick der Stille, dann ein fernes Donnern. Ihr schauderte, während sie zum Fenster sah und froh war, dass sie den Regenmantel dabeihatte. Dann hörte sie über den Donner ein weiteres Geräusch, Glocken, die in langsamer Folge angeschlagen wurden. Im gleichen Moment sanken ihre Augenlider herab, und sie ließ ihre Schultern hängen.
    Am Telefon blinkte eine kleine Lampe, die ein weiteres eingehendes Gespräch signalisierte. Aber sie nahm es nicht wahr, und selbst wenn, wäre sie nicht in der Lage gewesen, irgendeine Entscheidung zu treffen. Stattdessen legte sie den Hörer auf, verließ ihr Büro in Richtung der Aufzüge.
    Ihr Anwaltskollege Gregory Mitchell blickte auf, als sie an seinem Schreibtisch vorbeiging.
    „Hey, Lynn, ich wusste gar nicht, dass du noch immer hier bist. Meinen Glückwunsch zum gewonnenen Fall.“
    Sie schien ihn nicht gehört zu haben. Verwirrt sah er sie aus der Kanzlei gehen, bis er erkannte, dass sie ihre Aktentasche und den Regenmantel an der Tür zu ihrem Büro hatte liegen lassen. Er wusste, dass sie noch einmal fünfzehn Etagen nach oben fahren musste, wenn ihr unten auffiel, dass sie beides vergessen hatte. Also lief er ihr in dem Glauben nach, sie am Aufzug zu erwischen. Sie würde über ihre Vergesslichkeit lachen, ihre Sachen holen, dann würde sie sich nach unten und er sich zurück an seinen Schreibtisch begeben.
    Als er am Aufzug ankam, sah er zu seinem Erstaunen, dass seine Kollegin offensichtlich in einen Aufzug gestiegen war, der nach oben fuhr. Die oberste Etage im Gebäude stand zur Zeit leer und wurde renoviert.
    „Verdammt, Lynn, wo hast du heute deinen Kopf?“ murmelte er und wartete, dass sich jeden Moment die Aufzugtüren öffneten und sie ihn verlegen angrinsen würde. Aber die von oben kommende Kabine war leer.
    Kurz entschlossen betrat er den Aufzug und fuhr in die sechzehnte Etage. Immer wieder sagte er sich, dass es eine logische Erklärung geben musste. Aber als er im obersten Stockwerk angekommen war, hörte er nur den Wind, der sich in den Plastikplanen fing, die in Kürze durch neue Fenster ersetzt werden sollten.
    „Lynn? Lynn? Wo bist du? Ich bin’s, Greg!“
    Vom anderen Ende des Flurs war ein lautes Rascheln zu hören. Er machte sich in diese Richtung auf und rechnete damit, dass sie jeden Augenblick von irgendwoher auftauchte, auf der Suche nach dem Weg zurück zum Aufzug.
    Doch das große Eckbüro, das er betrat, war leer. Frustriert wandte er sich ab, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Er näherte sich der vorübergehend mit Plastik verkleideten Ecke, da wurde ihm klar, dass sich jemand auf dem Gerüst an der Außenseite des Gebäudes befand.
    „Das kann doch nicht sein“, murmelte er und stürmte durch das Zimmer, weil ihm ein ungutes Gefühl sagte, dass da draußen sonst niemand sein konnte.
    Er riss die Plastikplane zur Seite und erstarrte. Lynn stand auf einem Stahlträger sechzehn Stockwerke über der Erde. Der Wind, der um die Hausecke wehte, zerrte an ihrem Jackett und blähte es auf.
    „Mein Gott, Lynn! Was soll denn das? Komm sofort rein, bevor dir was passiert!“
    Wieder schien sie ihn nicht zu hören. Zu seinem Entsetzen breitete sie stattdessen die Arme aus, als würde sie ein unsichtbares Orchester dirigieren wollen. Greg geriet in Panik. Die Situation war völlig außer Kontrolle geraten. Er wollte nach seinem Handy greifen, als ihm einfiel, dass es auf seinem Schreibtisch lag. Da er nicht tatenlos zusehen konnte, begann er, aus dem Fenster auf das Gerüst zu klettern,
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