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Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac

Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac

Titel: Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
Autoren: Michel Verne
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in zwei zahlenmäßig gleich große Fraktionen gespalten, die von zwei starr auf ihrer Ansicht beharrenden Anführern zum Kampf aufgerufen wurden.
    Der eine von ihnen hieß Barsac, der andere Baudrières.
    Ersterer, wohlgerundet, fast ein wenig beleibt zu nennen, trug einen fächerförmigen dichten schwarzen Bart. Er war ein Südländer aus der Provence mit klangvollem Organ, zwar nicht gerade mit Rednertalent, aber doch mit einer gewissen Redseligkeit begabt, und im übrigen ein fröhlicher und sympathischer Mann.
    Der zweite repräsentierte das Departement Nord und verkörperte es, wenn ein so kühner Ausdruck gestattet ist, wenigstens, was die Länge anbetraf. Mit magerem Körper und Gesicht, einem dürftig herunterhängenden Schnurrbart, der seine schmalen Lippen betonte, eckig und dogmatisch, gehörte er zur Rasse derer von der traurigen Gestalt. Während sein Kollege freimütig aus sich herausging, wirkte er in gleichem Maße in sich selbst verkrochen, gab so wenig wie möglich von sich preis und hielt seine Seele verschlossen wie ein Geiziger seinen Kassenschrank.
    Beide, Abgeordnete bereits alten Datums, hatten sich auf Kolonialfragen spezialisiert und wurden allgemein als Autoritäten auf diesem Gebiet betrachtet. Indessen – um diese Überlegung kommt man nicht herum – war es tatsächlich ein Wunder, daß ihre mit großer Geduld durchgeführten Studien zu derart entgegengesetzten Folgerungen geführt hatten. Allerdings waren die beiden nur selten gleicher Meinung. Wenn Barsac irgendeine Frage behandelte, war zehn gegen eins zu wetten, daß Baudrières um das Wort bitten würde, um genau das Gegenteil zu behaupten, so daß, da ihre Reden sich gegenseitig aufhoben, die Kammer sich gezwungen sah, in dem durch das Ministerium aufgezeigten Sinn zu entscheiden.
    Diesmal aber hatten sowohl Barsac wie Baudrières keinen Fingerbreit von ihrer erklärten Meinung preisgeben wollen, und die Diskussion hatte sich daraufhin endlos in die Länge gezogen. Sie hatte mit der Einbringung eines Gesetzesentwurfs von seiten des ersteren begonnen, eines Entwurfes, der darauf abzielte, in Senegambien, Oberguinea und dem westlich vom Niger gelegenen Teil des französischen Sudan fünf Abgeordnetensitze zu schaffen und den Farbigen ohne Rücksicht auf die Rasse aktives und passives Wahlrecht zuzuerkennen. Sofort war wie gewöhnlich Baudrières heftig gegen die These Barsacs vorgegangen, worauf die beiden unversöhnlichen Gegner einander mit einem Schnellfeuer von Argumenten beschossen hatten.
    Der eine, der zur Stützung seiner Ansicht die Aussagen einer großen Zahl von Militär-und Zivilpersonen heranzog, die jene Gegenden bereist oder in ihnen Handel getrieben hatten, stellte die Neger als eine zu einem sehr vorgeschrittenen Grad der Zivilisation gelangte Menschenklasse dar. Er setzte hinzu, daß die Aufhebung der Sklaverei nur wenig zu bedeuten habe, wenn man den unterworfenen Völkern nicht die gleichen Rechte gebe wie ihren Eroberern, und führte dabei in einer Reihe von Appellen, denen die Kammer tosenden Beifall spendete, die großen Worte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ins Feld.
    Der andere behauptete hingegen, die Neger vegetierten noch in schmählicher Barbarei dahin, und es könne ebensowenig die Rede davon sein, sie um ihre Meinung zu befragen, wie es angebracht sei, ein krankes Kind wegen der Medizin zu Rate zu ziehen, die man ihm eingeben solle. Er setzte noch hinzu, daß auf alle Fälle der Augenblick für ein so gefahrvolles Experiment nicht günstig gewählt sei und daß man vielmehr gut daran täte, die Besatzungstruppen zu verstärken, da besorgniserregende Symptome Anlaß dazu gäben, bevorstehende Unruhen in jenen Gegenden zu befürchten. Er bezog sich dabei auf eine ebenso große Zahl von militärischer-und zivilerseits geäußerten Ansichten wie sein Gegenspieler, schloß mit der Befürwortung eines erneuten bewaffneten Vorgehens und erklärte mit patriotischem Schwung, das mit französischem Blut erkaufte überlieferte Erbe der Nation sei geheiligt und müsse unangetastet bleiben. Auch ihm jubelte man frenetisch zu.
    Dem Kolonialminister fiel es nicht leicht, im Meinungsstreit dieser beiden von Leidenschaft erfüllten Redner eine Entscheidung zu fällen. In beider Thesen steckte etwas Wahres. Wenn es zutraf, daß die Bevölkerungsteile, die den Nigerbogen und Senegambien bewohnten, sich der französischen Herrschaft anzupassen schienen, daß im Bildungsstand dieser einst von Grund auf
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