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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters
Autoren: Judith Lennox
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den Nordwiesen grasten immer noch die Schafe. Sinnlos, da umzupflügen, hatte Abbott ihm freundlich erklärt. Knollengewächse würden auf diesem Boden niemals gedeihen. Zu steinig, zu sumpfig. Daubeny hatte gemeint, das Krachen eines Gewehrs zu hören, das sich an dem Hügel brach.
    Evelyn kam herein. Sie gab ihm Morphin, und der Schmerz zog sich zurück. Er wußte, daß er nur vorübergehend in Schach gehalten wurde und auf ihn lauerte. Genau wie seit Coles Tod immer die Schuld auf ihn gelauert hatte, um ihn zu gegebener Zeit zu überfallen. Unter der Last der Schuld und der Reue, von der sie begleitet wurde, war sein Leben verkümmert. Sie hatte ihn an die Vergangenheit gekettet. Jetzt, da er sich der Berührung des Jungen erinnerte, fühlte er etwas von der Last abfallen. Sein einziger Sohn würde Sam Coles Tochter heiraten … Tja, dachte er, am Ende hast du doch gesiegt, Sam Cole.
    Das Morphin bemächtigte sich seiner, und sein Bewußtsein begann zu treiben. Er ging durch den Garten. Es war Sommer – Juni, immer der schönste Monat im Garten. Der süße Duft von Rosen und Geißblatt lag in der Luft. Der Rittersporn reckte seine tiefblauen Rispen empor, und die Rotbuche und die Zeder warfen dunkle, geheimnisvolle Schatten. Der Rasen unter seinen Füßen war weich wie grüner Samt. In der Ferne schimmerte der Teich. In seinem gläsernen Spiegel sah er den Himmel, an dem einige bauschige weiße Wolken dahinzogen. Die Brücke überspannte in einem hellen, anmutigen Bogen den Teich, verdoppelt durch ihr Spiegelbild.
    Er schritt über den Rasen. Einmal noch blickte er zum Haus zurück. Dann setzte er den Fuß auf die Brücke.
    Caleb öffnete das Päckchen, das Evelyn Daubeny ihm mitgegeben hatte, erst, als er wieder in Canonbury war. Es war groß und länglich. Er legte es auf den Küchentisch und riß das braune Packpapier auf.
    Osborne Daubeny hatte ihm ein Buch geschenkt. Als er darin blätterte, sprangen ihm einzelne Sätze eines Texts ins Auge, der mit brauner, mittlerweile verblichener Tinte geschrieben war. Wind SO, am Morgen schön, nach dem Mittagessen Wolken, dann schüttete es in Strömen … Obstbäume in der Plantage beschnitten … Ananas im Gewächshaus gedeihen gut … der Ingenieur aus London ist heute gekommen, um den Bau des Wehrs zu beaufsichtigen  …
    Dem Buch lag ein Satz Pläne bei. Er entfaltete sie, und als er sie auf dem Tisch ausbreitete, sah er Terrassen, Blumenbeete und ein Arboretum. Osborne Daubeny hatte ihm die Originalpläne für den wunderbaren Garten von Swanton Lacy geschenkt und dazu das Tagebuch seines Schöpfers. Ehrfürchtig berührte er das dicke, vergilbte Papier, und ihm war, als sähe er vor sich einen Garten entstehen, ein irdisches Paradies.
    Romy fuhr nach Stratton zu ihrer Mutter. Sich die Hände an der Schürze wischend, öffnete Martha einen Küchenschrank nach dem anderen. »Wenn du mir Bescheid gegeben hättest, daß du kommst … ich habe überhaupt nichts im Haus. Und der Laden hat zu, sonst würde ich Ronnie schicken. Du mußt dich eben mit Marmeladenbrot begnügen.« Sie knallte einen Laib Brot auf die Arbeitsplatte.
    »Ich habe gar keinen Hunger, Mam.«
    »Aber du mußt was essen.« Martha sah sie tadelnd an. »Du bist ja spindeldürr.«
    »Später vielleicht.«
    »Dann wenigstens Tee. Oder Kaffee.« Martha hielt ein Glas Nescafé in die Höhe.
    »Keinen Kaffee. Der schmeckt mir nicht mehr.«
    Martha warf ihr einen argwöhnischen Blick zu. »Romy? Was ist los?«
    »Ich bin schwanger, Mam.«
    »Schwanger?« Martha, die dabeigewesen war, das Brot zu schneiden, hielt inne und lehnte sich ans Büffet. Einen Moment lang starrte sie Romy sprachlos an. Dann sagte sie scharf: »Und weiß dein Freund Bescheid?«
    »Caleb? Noch nicht. Er ist nicht zu Hause. Ich nehme an, er ist in Norfolk.«
    Martha sah besorgt aus. »Er wird dich doch heiraten, Romy?«
    »Natürlich.« Wenn Caleb es sich anders überlegt hatte, würde sie ihn schon wieder zur Vernunft bringen. Sie wollte ihn haben, dessen war sie jetzt sicher. Und wenn sie etwas unbedingt haben wollte, bekam sie es immer.
    »Ich könnte Dennis zu ihm schicken, daß er mal mit ihm redet –« Martha ergriff das Brotmesser.
    »Nein, Mam«, sagte Romy hastig. »Das ist nicht nötig.«
    Martha legte ihr zaghaft die Hand auf die Schulter. »Bist du sicher, Romy? Daß du ein Kind bekommst?«
    »Ziemlich sicher, ja. Mir ist jeden Morgen übel, und ich träume dauernd von Babys.« Sie legte beide Hände auf ihren Bauch und
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