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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen
Autoren: Carl A. DeWitt
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brennen begann.
    »Was ist mit Euch, Meister Pulver?«, fragte Nasreth vorsichtig.
    »Wie zuverlässig sind ihre Prophezeiungen?«, fragte Pulver leise.
    »Bislang trafen sie noch immer ein.«
    »Dann wird Astrak den Krieg überleben.« Er wischte sich erneut die Augen. »Es ist der Staub«, sagte er dann, und Nasreth nickte. »Ich weiß.«
     
    Etwas später stand Pulver zusammen mit Lenises Bruder vor dem großen Altar, direkt unter der schwebenden Statue der Göttin. Sorgfältig hatten sie die Reste der alten Opfergaben abgeräumt, und nun lag der reich verzierte Altar frei vor ihnen. Auch an ihm befand sich noch eingetrocknetes Blut, doch es würde sich leicht von dem Gold der Verzierung entfernen lassen.
    Es war etwas anderes, das Pulvers Aufmerksamkeit erregt hatte.
    »Hier ist ein Fußabdruck im Blut zu sehen«, sagte er leise. »Recht zierlich, vermutlich gehörte er zu einer Frau. Dort draußen vor dem Tempel liegen die sterblichen Überreste der letzten Hohepriesterin unserer Göttin. Sie trug Seidenschuhe, daran erinnere ich mich, denn sie zerfielen fast unter meinen Händen, als ich sie berührte … Einer von ihnen hatte eine blutige Sohle … wartet hier einen Moment.«
    Nasreth sah ihn erstaunt an, dann nickte er. Viel hatten sie bislang nicht gesprochen, dachte Pulver, als er sich eine Laterne griff und den Tempel verließ. Ein stiller Begleiter mit Schlangenhaut … und eine zukünftige Schwiegertochter ohne Augen. Pulver schüttelte den Kopf … vor wenigen Wochen hätte er sich das alles nicht träumen lassen. So schnell konnte es also gehen. Es fiel ihm schwer, Lenises fehlende Augen zu ignorieren, gerade ihre Schönheit war es, die diesen Mangel umso deutlicher hervortreten ließ, doch wenigstens würden die Kinder Augen haben.
    Pulver seufzte und sah nach oben in den Nachthimmel, hinauf zu Mistrals Stern. Er hoffte inständig, dass Sie ihnen Ihre Gnade zeigen und alles gut werden würde.
    Es dauerte nicht lange, bis er die gebleichten Überreste der Priesterin gefunden hatte. Ihr Schuhwerk lag neben den Knochen, es war schon fast zerfallen, und von dem linken Schuh war kaum mehr als die Sohle übrig. Mistrals Stern stand tief, und es würde nicht mehr lange dauern, bis ein neuer Tag herandämmerte. Wie lange waren Barius und Elyra nun schon in den Tiefen des Tempels verschwunden? Fast dreißig Kerzen mussten es jetzt sein. Oder sogar noch mehr? Er richtete seinen Blick auf den Stern der Göttin und betete dafür, dass Elyra und dem Priester Loivans nichts zugestoßen war. Dann nahm er respektvoll den Schuh auf und ging zurück in den Tempel. Dieses Mal zumindest hatte die Göttin sein Gebet prompt erhört, denn Elyra und Barius standen vor dem Altar und unterhielten sich mit Astrak, Lenise und deren Bruder.
    Oder war sein Gebet doch zu spät gekommen?, fragte sich Pulver, als er näher kam und sah, wie bleich Elyra war und wie dunkel sich die Schatten unter ihren Augen abzeichneten. Sie sah erschöpft aus und um Jahre gealtert. Und auch Barius wirkte mitgenommen.
    »Ich bin froh, dass du wieder da bist, Elyra«, begrüßte er sie erleichtert und sah dann zu dem Priester Loivans. »Ich weiß nicht, was Ihr befürchtet habt, Freund Barius, aber Eurer Miene nach zu urteilen ist es sogar noch schlimmer gekommen.«
    »Das trifft es wohl«, sagte Elyra in erschöpftem Ton. »Dort unten gibt es eine Kammer, tief unter der Erde, sie ist so seltsam und erschreckend, dass mir die Worte fehlen, sie zu beschreiben. Ein Strom von Magie tobt in ihr, sich windend und schrecklich anzusehen. Es ist, als wäre die Magie die Kette, die dort etwas bindet, was so mächtig ist, dass ich es in meinen Gedanken nicht erfassen kann. In der Kammer stehen zwei silberne Kästen, mit Fenstern aus Kristall und Glas, durch die man hindurchsehen kann. In einem Kasten ruht der Kopf eines Mannes, so wohl geformt, dass mein Herz in Liebe hätte entflammen können, würde da nicht eine ungekannte Grausamkeit in seinen Zügen liegen. Er … er lebt. Er öffnete seine Augen und versuchte mich unter seinen Willen zu zwingen. Der Kasten, in dem er sich befand, war durch Magie gefesselt. Der andere jedoch nicht. In ihm fand ich ein Herz, so alt und eingetrocknet, dass es zu Staub zerfiel, als ich den Kasten nur leicht berührte. Ich fand auch dies.«
    Sie hielt Pulver ein schwarzes Messer hin. Die Klinge war mit dunklen Runen überzogen, die unheilvoll zu pulsieren schienen. Unwillkürlich wich der Alchimist vor ihr zurück. Wenn es das
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