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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen
Autoren: dtv
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Vergangenheit lesen musst. Ich war bereits im Ruhestand, darum zog ich nach Helsinki, und deine Mutter ging nach England, um in deiner Nähe zu sein.
    Das war wohl das Wichtigste. Mit dieser Kassette breche ich mein Schweigegelöbnis – gegenüber der Raumfahrtbehörde der Vereinigten Staaten und . . . gegenüber Katharina. Ich versprach ihr, sie niemals als Spionin zu enttarnen. Und sie versprach, mich nicht zu verraten. Zwischen uns herrschte ein Gleichgewicht des Schreckens. Aber mit dieser Kassette breche ich mein Versprechen . . . Und ich habe nicht vor, dies hinter ihrem Rücken zu tun. Gestern erhielt ich einen Brief von ihr, und nun habe ich die Absicht, sie noch einmal in meinem Leben in Berlin zu besuchen. Ich werde ihr von der Kassette erzählen, und ich glaube nicht, dass sie es mir übel nehmen wird.
    Wie ich zu Beginn gesagt habe, bitte ich dich, die Kassette nach dem Abhören in einem versiegelten Umschlag deinem Anwalt zu übergeben. Die Wahrheit über mein Leben soll als Erbe weitergereicht werden. Emil und Olivia bekommen die Kassette dann nach deinem Tod.«
     
    |521| Die Stimme des Vaters zitterte ein wenig.
     
    »Also dann. Zeit zum Abschiednehmen«, sagte er nun auf Finnisch und mit dem Bemühen, heiter zu klingen.
     
    Erik biss die Zähne zusammen. Er sah durch das Fenster aufs Meer hinaus. Schaumkronen überzogen die Ostsee mit hellen Flecken, die Schiffe und Container im Hafen leuchteten im Sonnenlicht.
     
    »Ich habe ein wechselhaftes Leben führen dürfen, das durch dich und deine Familie unfassbar bereichert worden ist. Ich weiß, wie sehr dich viele Dinge auf dieser Kassette erschüttern . . . nicht zuletzt das, was deine Mutter getan hat. Aber ich vertraue darauf, dass du mit allem, auch mit den Folgen, umzugehen weißt. Das war alles, Erik . . .«
     
    Dem Vater versagte die Stimme, aber er fasste sich schnell wieder.
     
    »Lebe wohl, Erik . . . Vielleicht werden wir uns irgendwann auf einer Wolke begegnen«,
sagte der Vater und lachte kurz auf.
»Aber hoffentlich erst nach langer, langer Zeit . . .«
     
    Erik schluckte und lauschte eine Weile auf das leise Rauschen. Er saß regungslos da und ließ seine Gedanken in dem Rauschen des Bandes versinken, das sich langsam mit der Meeresbrandung vermischte.
    Lebe wohl, Vater.
    Lebe wohl, Mutter.
    Sie waren nun beide fort. Bald würden sie unter einem gemeinsamen Grabstein auf dem Friedhof Hietaniemi ruhen. Aber beider Gene lebten in ihm fort. In ihm, und in Olivia und Emil . . .
    Im Guten wie im Bösen. Im ganzen Spektrum des Lebens. Erik betrachtete das Foto, das die Russen heimlich von seinem Vater auf der Straße einer amerikanischen Stadt gemacht hatten. |522| Dann legte er das Bild aus der Hand, trat ans Fenster und sah auf die Straße, wo gerade ein alter, eckiger Volvo-Kombi anhielt. Katja parkte rückwärts in eine enge Lücke ein.
    Erik eilte ins Treppenhaus und auf die Straße hinunter. Katja stieg aus dem Wagen, die Haare mit einem Tuch zusammengebunden, die Kinder sprangen heraus und tobten los, nach dem Flug voller überschüssiger Energie und voller Erwartung auf das Neue, das kommen würde. Der Kofferraum war mit Koffern, Taschen und verschnürten Kartons vollgestopft.
    Der Umzugstransport.
    Erik umarmte alle drei, länger als sonst. Aus dem Autoradio drang eine männliche Stimme bis auf den Gehweg:
    »In wenigen Minuten setzen wir den Bericht unseres Korrespondenten über die Folgen des Bombenattentats von London fort, aber zunächst unterbrechen wir die Übertragung kurz für eine Meldung, die uns gerade aus dem Nahen Osten erreicht . . .«
     
    Erik hörte die Aufregung in der Stimme des Sprechers, und es jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Weil die Kinder so laut durcheinanderredeten, setzen sich Erik und Katja in den Wagen, um besser hören zu können.
     
    »Gerade eben haben die Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten den Iran angegriffen und nukleare Forschungseinrichtungen des Landes bombardiert. Präsident George Bush hält in diesem Moment eine Ansprache im Weißen Haus. Darin äußert er die Ansicht, das Bombenattentat von London sei der klare Beweis dafür, dass es zu einem Militärschlag keine Alternative mehr gebe. Iran hat angekündigt, für den völkerrechtswidrigen Angriff Vergeltung zu üben. Die israelische Armee befindet sich in Alarmbereitschaft, und in ganz Israel ist mit der allgemeinen Mobilmachung begonnen worden . . .«
     
    |523| Erik schaltete das Radio aus. Sollte die Welt ihm doch
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