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Das Erbe des Atoms

Das Erbe des Atoms

Titel: Das Erbe des Atoms
Autoren: A. E. van Vogt
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vulgäre Leben dort draußen?«
    Der Herrscher akzeptierte lächelnd die Wahrheit des Vergleichs. Aber dann kam er zur Sache.
    »Sagen Sie mir, was Sie wollen, und ich werde Ihnen sagen, ob es getan werden kann.«
    Joquin zögerte nicht. Er erklärte mit knappen Worten, was er für notwendig hielt. Clane mußte auf dem Gelände des Palasts ein Refugium haben, einen Zufluchtsort, wohin andere Kinder ihm nicht folgen konnten, es sei denn, sie nahmen eine Bestrafung auf sich.
    »All Eure männlichen Enkelkinder wachsen hier auf, Herr«, sagte Joquin. »Und außer ihnen haben wir noch mehrere Dutzend andere Kinder – die Söhne vornehmer Geiseln, verbündeter Herrscher und Adliger –, die alle hier aufgezogen werden. Gegenüber dieser Menge von normalen, verzogenen und oft brillanten Jungen, grausam und gefühllos wie nur Jungen sein können, ist Clane wehrlos. Da sie alle im gleichen Saal schlafen, hat er nicht einmal einen eigenen Raum, wo er Ruhe finden kann. Ich bin dafür, daß er weiterhin mit den anderen ißt und schläft und lernt, aber er muß einen Ort haben, wohin kein anderer ihn verfolgen kann.«
    Joquin hielt inne, außer Atem, denn seine Stimme war nicht mehr, was sie einmal gewesen war. Außerdem war er sich der Größe seines Ansinnens bewußt, er verlangte, daß den arroganten kleinen Teufeln, die einmal die großen Männer von Linn sein würden, Beschränkungen auferlegt wurden. Und wofür? Damit ein armer Krüppel von einem Mutanten die Chance hätte, zu beweisen, daß er ein Gehirn hatte.
    Er sah, daß die Miene des Oberherrn sich verfinstert hatte. Er verlor den Mut, doch zeigte es sich, daß er den Grund des Gesichtsausdrucks mißdeutet hatte. Tatsächlich hätte er sein Anliegen nicht zu einem günstigeren Moment vorbringen können. Am Tag zuvor war der Oberherr bei einem Spaziergang im Park des Palasts von einer kichernden, respektlosen Gruppe kleinerer und größerer Jungen verfolgt worden. Es war nicht das erste Mal gewesen, und die Erinnerung brachte den verdrießlichen Ausdruck in sein Gesicht.
    Nach einer Weile blickte er entschlossen auf und sagte: »Diese jungen Schurken brauchen Disziplin. Ein wenig Frustration wird ihnen guttun. Erbauen Sie Ihr Refugium, Joquin. Ich werde Ihre Pläne für eine Weile unterstützen.«
    Der Palast des Herrschers befand sich auf dem sogenannten Kapitolhügel, der von geschickten Landschaftsgärtnern gestaltet worden war. Am westlichen Ende des Hügels erhob sich eine Formation aus natürlichem Fels. Um sie zu erreichen, folgte man einem schmalen Pfad steilaufwärts und erstieg dann die Stufen, die in den Fels gehauen waren.
    Die Oberfläche des Felsens war kahl, bis Joquin die Dinge in die Hand nahm. Unter seiner Anleitung schleppten Sklavenkolonnen Erde hinauf, und Gärtner pflanzten Büsche und säten Gras und Blumen, auf daß der Junge Schutz vor Sonnenhitze, weiches Gras zum Ausstrecken und eine schöne und angenehme Umgebung habe. Er ließ die so gestaltete Felskuppe mit einem eisernen Zaun umgeben, der eine Pforte erhielt, wo er den Pfad kreuzte. An dieser Pforte stationierte er einen Palastwächter, der zwei Meter groß und entsprechend breit war. Dieser Mann war durch den Umstand zusätzlich qualifiziert, daß auch seine Frau vor vier Jahren ein Kind der Götter zur Welt gebracht hatte. Er war ein freundlicher, gutmütiger Mensch, der die übermütigen und rowdyhaften Jungen daran hinderte, Clane zu folgen, indem er die schmale Pfortenöffnung einfach mit seinem mächtigen Körper ausfüllte.
    Während der ersten Wochen nach Fertigstellung der Zuflucht lästerten und kreischten die anderen Kinder ihre Frustration heraus. Stundenlang umstanden sie die Pforte und peinigten den Wächter und schrien Drohungen zum Felsen hinauf. Es war die Unerschütterlichkeit des stets freundlichen Wächters, die sie schließlich bezwang. Und der zitternde Junge auf dem Felsen hatte Zeit, ruhiger zu werden und das Gefühl jederzeit drohender Gewalt zu verlieren. Zum ersten Mal erfuhr er, was es bedeutete, sich sicher zu fühlen. Von nun an wurde er ignoriert. Niemand spielte mit ihm, und obgleich die Gleichgültigkeit der anderen eine besondere Art von Grausamkeit war, äußerte sie sich wenigstens in einer negativen und passiven Haltung. Clane konnte sein eigenes Leben leben.
    Sein Verstand, dieser verwundete, verängstigte und zarte Komplex aus Intellekt und Emotion, kam langsam aus der Dunkelheit hervor, in die er geflohen war. Joquin lockte ihn mit tausend Listen.
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