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Das Erbe der Uraniden

Titel: Das Erbe der Uraniden
Autoren: Hans Dominik
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durch die unerhörten Anstrengungen geschwächt, sein Geist durch die vollständige Niederlage, die ihm alles nahm, auch alle Hoffnungen auf Hortense. Ein unseliges Geschick ließ ihn Lee begegnen. Bei dessen Anblick verlor er die Besinnung. Er legte das Gewehr an, schoß auf den Gegner…
    Die Gesichter der Umstehenden erbleichten. Mit Mühe bewahrten sie die Ruhe. Van der Meulen wandte sich ab, um Canning nicht zu sehen. Er hätte ihm zuschreien mögen: Mörder, du! Das war deine Tat?!
    Canning hatte die Augen geschlossen. Tiefe Schatten lagen darum. Sein Atem ging nur schwach… War es der Tod, der sein Opfer holen wollte?
    Nach einer Weile schlug der Kranke die Augen auf. Sein Blick ging zu Lee. Seine Hand bewegte sich kraftlos, zögernd. Lee ergriff sie, hielt sie einen Augenblick fest, ließ sie sinken.
    »Ich wußte alles«, sprach er leise. »Ich fühlte innerlich längst, was Sie getan haben, was Sie dazu bewog.«
    Canning preßte die Hand aufs Herz.
    »Ich bin froh, daß ein Teil der Last von mir genommen ist. Doch der andere, größere – ich muß sterben mit der Last auf meiner Seele! Gorm! Wärest du hier, an dem ich am schlimmsten gefrevelt, könnte ich deine Verzeihung erlangen, würde mir das Sterben leichter.«
    Tiefe Stille herrschte in dem Raum. Keiner wagte, sie zu unterbrechen. Alle Gedanken waren bei Gorm. Was hatte Canning mit ihm getan? Würde in das Dunkel, das um jene Schreckenszeit sich wob, als die Sowjets plötzlich im Besitz Gormscher Waffen waren, ein Licht fallen? Wäre hier die rätselhafte, unheimliche Kraft Cannings, verborgenste Dinge zu lesen, zu rauben, auch schon tätig gewesen?
     Keiner sprach etwas. Und doch las ein jeder dem anderen den Gedanken an den Augen ab. Den furchtbaren Verdacht, daß dies gräßliche Unheil, das über die Menschen gekommen war, Cannings Werk gewesen sei. Mit Entsetzen schauten sie den Mann an. Das Blut erstarrte ihnen in den Adern. So viele, so furchtbare Verbrechen hatte er verübt! Wie hatte dieser Mensch leben können mit solcher Schuld auf der Seele?
    Canning richtete sich plötzlich auf. Harding wollte zu ihm springen. Er wehrte mit den Händen ab.
    »Er kommt! Gorm kommt! Ich höre seine Schritte.« Er machte eine Bewegung, als wolle er aufstehen, dem anderen entgegeneilen. Harding hielt ihn fest.
    »Das Fieber kommt wieder, Mr. Canning. Seien Sie ruhig.«
    »Nein! Nein. Da kommt Gorm!« Canning schrie es mit gellender Stimme.
    Unwillkürlich starrten alle nach dem Zelteingang.
    »Da ist er!« schrie Canning. Der Vorhang wurde zurückgeschoben, ein Mann trat in das Zelt.
    »Hier bin ich, Canning.« Mit einem Schrei fiel dieser zurück in die Kissen.
    »O Gott, ich danke dir. Er ist da! Er hat meinen Ruf gehört, Gorm!«
    Lee war aufgesprungen und spähte in das Gesicht des Fremden. Ja, es war Gorm. Der setzte sich jetzt auf den verlassenen Platz und nahm Cannings Hand.
    »Möge Gott dir vergeben – ich verzeihe dir.«
    Canning wollte sprechen. Gorm hieß ihn schweigen.
    »Ich weiß alles, Canning. Weiß es längst.«
    Canning atmete immer ruhiger, hielt die Augen geschlossen und sprach dann mit leiser, fast flüsternder Stimme:
    »Dank, Dank, Gorm! Und alles weißt du? Weißt, was ich an dir, an der Menschheit verbrochen habe, alles?«
    Er schlug die Augen auf, sah Gorm an. Dieser nickte.
    »Auch wie ich’s tat?«
    Wie Stolz spielte es sekundenlang um seinen Mund. Der schwindende Geist, noch einmal raffte er sich auf, dem anderen gegenüber groß zu erscheinen. Der brennende Ehrgeiz, der ihn sein Leben lang verzehrt hatte, schien über das Sterben des Körpers triumphieren zu wollen.
    »Auch das weiß ich, Canning. Das Schicksal gab dir ein schlimmes Geschenk. Du bautest einen Strahler, mit dem du die Sicherungen, die nach menschlichem Ermessen undurchdringlich waren, durchbrachst. Du raubtest die Berechnungen und Konstruktionen meines Apparates aus dem Tresor.«
    Ein Schatten der Enttäuschung ging über Cannings Gesicht.
    »Auch mein tiefstes Geheimnis kennst du?«
    »Ich kenne es, doch habe ich den Weg nicht allein gefunden. Uranidenkunst zeigte ihn mir.«
    Und als wollte er ihm auf den letzten Weg noch einen Trost geben, sprach er weiter: »Kein Mensch, auch ich nicht, hätte dein Geheimnis gefunden… Auch Awaloff verzeiht dir. Das Schicksal wollte es wohl mit ihm, mit dir… daß du nicht zum Mörder wurdest. Ich sah deine Tat von meinem Flugzeug aus und fing den Stürzenden auf. Der Schutzengel Awaloffs, noch einmal in Gestalt seines
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