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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin
Autoren: Monika Felten
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Gewebe angelegt, dessen einziger Schmuck aus einem mit verschlungenen Ornamenten verzierten silbernen Gürtel bestand. Die langen, fast weißen Haare waren an den Schläfen zu dünnen Zöpfen geflochten und fielen ihr über den Rücken bis zur Hüfte hinab. Ein dünner silberner Reif, Zeichen ihrer edlen Abstammung, hielt die Haare aus der hohen Stirn, und eine filigran gearbeitete Kette aus winzigen Efeublättern zierte den schlanken Hals.
    Neben den Ratsmitgliedern in ihren schweren Roben wirkte die junge Elbin zart und zerbrechlich, doch ihr Einfluss war nicht zu unterschätzen. Ein jeder im Saal wusste um Inahwens scharfen Verstand und die spitze Zunge, mit der sie sich schon so manches Mal gegen die vorherrschende Meinung des Rates durchgesetzt hatte. Zwar galt sie als äußerst diplomatisch und gerecht, konnte jedoch auch hartnäckig sein, wenn es darum ging, eine gegenteilige Meinung vor den anderen überzeugend zu vertreten.
    Als der Rat seinen Platz eingenommen hatte, stand Gaynor, der Ratsvorsitzende, auf, hob die Arme zu einer Willkommensgeste und forderte die Anwesenden mit ernster Stimme auf, Platz zu nehmen. Stoff raschelte, Leder knarrte, und das schabende Geräusch hölzerner Stuhlbeine, die über den Boden kratzten, wurde laut, als sie der Aufforderung nachkamen. Dann kehrte Ruhe ein.
    Gaynor ließ den Blick langsam über die Gesichter der Versammelten schweifen. Der Vorsitzende des Hohen Rates war müde und erschöpft. Doch er wusste, dass er sich die Zeit nehmen musste, die Besorgnis erregenden Nachrichten, die ihn am Vormittag erreicht hatten, auf angemessene Art und Weise weiter zu geben.
    »Bürger von Sanforan«, richtete er das Wort schließlich an die Anwesenden. »Traurig ist der Anlass, aus dem ich Euch an diesem Abend so überstürzt zusammengerufen habe.« Er verstummte, als fiele es ihm schwer, die Rede fortzusetzen. »Am späten Vormittag trug ein Falke die schmerzliche Botschaft nach Sanforan, dass Merdith, der gewählte Anführer der Elben, Befehlshaber der Verteidigungsanlagen am Pass des Pandarasgebirges und«, er hielt einen Augenblick inne und sah zu Inahwen hinüber, die seinen Worten mit versteinerter Miene lauschte, »… Vater der edlen und allseits hoch geschätzten Inahwen, mit einer Gruppe von Kriegern in einen grausamen Hinterhalt der Uzoma gelockt wurde.« Gaynor verstummte und fuhr dann erschüttert fort: »Keiner von ihnen überlebte den Angriff.«
    »Nein!«
    »Das kann nicht sein!«
    »Unmöglich!«
    »… muss ein Irrtum sein!«
    Die aufgebrachten Ausrufe vermischten sich zu einem vielstimmigen Chor, in dem die Fragen Einzelner hoffnungslos untergingen.
    Gaynor ließ den Anwesenden Zeit, die ungeheuerliche Nachricht in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen, dann hob er erneut die Arme und gebot der aufgebrachten Menge zu schweigen.
    »Ich brauche wohl keinem von Euch zu sagen, was das bedeutet«, fuhr er fort, als endlich Ruhe eingekehrt war. »Im fortwährenden Kampf gegen die Uzoma wurde uns ein schwerer Schlag zugefügt. Die Waagschale neigt sich mit diesem Sieg zu Gunsten der dunklen Horden, die danach trachten, uns um unser Land zu bringen und die Menschen aus Nymath zu vertreiben. Sobald sich die Kunde verbreitet hat, dass Merdith nicht mehr am Leben ist, steht zu befürchten, dass die Krieger der Vereinigten Stämme den Mut verlieren und die Befestigungsanlage am Pass dem Ansturm der Uzoma nicht mehr standzuhalten vermag. Merdiths Tod kommt einem vernichtenden Stoß ins Herz unserer Truppen gleich. Er war es, der sie zusammenhielt und ihnen stets mit Mut und Zuversicht voranschritt, auf dass sie sich ein Beispiel an ihm nähmen. Merdith hinterlässt eine klaffende Lücke, die, wie wir befürchten, kaum mehr zu schließen sein wird.« Er hielt inne, um Atem zu schöpfen, und fuhr dann fort: »Nach all den Wintern des Kampfes und der vielen Opfer, die zu beklagen sind, müssen wir nun zum ersten Mal in Betracht ziehen, dass wir die Schlacht verlieren. Wenn der Pass den Uzoma in die Hände fällt, werden sie bald vor den Toren Sanforans stehen.«
    »Wir müssen unverzüglich Vorsorge treffen!« Ein prunkvoll gekleideter, wohlbeleibter Mann im schwarzen Kaftan der Fath, dessen Zierrat keine Zweifel daran aufkommen ließ, dass es sich um einen vermögenden Händler handelte, erhob sich. »In den Zeuglagern am Hafen befinden sich Waren von unschätzbarem Wert. Ich kann nicht zulassen, dass sie diesen Barbaren in die Hände fallen. Wenn das geschieht, bin ich ein armer
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