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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin
Autoren: Monika Felten
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der mich vorgestern schon so geschnitten hat, dass ich vom Rad flog.
    Wenn das so weiter geht, traue ich mich bald nicht mehr aus dem Haus. Und dann am Nachmittag, als ich …
     
    »Ajana?«
    Eilig klappte Ajana das Tagebuch zu, schob es in den hintersten Winkel der Schreibtischschublade und tat so, als wäre sie in ihr Englischheft vertieft.
    Dass ihr Pferd während des Ausritts am Nachmittag aus unerklärlichen Gründen mit ihr durchgegangen war und sie sich nur wie durch ein Wunder im Sattel hatte halten können, würde sie später noch ergänzen.
    Die Tür ging auf, und ihre Mutter schaute ins Zimmer. »Ein Brief für dich!«, sagte sie, wedelte mit einem graublauen Umschlag und fügte bedeutungsvoll hinzu: »Aus Irland!«
    »Aus Irland?« Ajana schaute verwundert auf. »Da kenne ich doch niemanden. Zeig mal her.« Sie stand auf und nahm den Brief in die Hand. »Law Office Evan O’Donnell – Dublin«, las sie laut vor. »Ein Rechtsanwalt. Hier steht: ›confidential‹. Das heißt ›vertraulich‹. Wann ist der denn gekommen?«
    »Heute Morgen mit der Post. Willst du ihn nicht öffnen?« Ajana nahm die Schere vom Schreibtisch, schlitzte den Umschlag vorsichtig auf und zog ein Blatt Papier heraus, auf dem in edel gedruckten Lettern der Briefkopf einer irischen Anwaltskanzlei prangte. Hastig überflog sie die Zeilen. Dann streckte sie ihrer Mutter den Brief entgegen und sagte: »Das verstehe ich nicht. Lies du mal!«
    Laura Evans las: »… nach, eingehender Recherche wurden Sie, Ajana Evans, als die einzige rechtmäßige Erbin der am 22. Oktober 1999 im Alter von 101 Jahren verstorbenen Mabh O’Brian ermittelt … können das Erbe laut Testament erst mit Vollendung des sechzehnten Lebensjahres antreten … erlaube ich mir, ihnen die Hinterlassenschaft persönlich zu überbringen … würde mich sehr freuen, ihnen zu diesem Zweck am 13. Mai 2004 einen Besuch abstatten zu dürfen.« Sie ließ den Brief sinken und schaute ihre Tochter überrascht an. »Eine Erbschaft?«, sagte sie nachdenklich. »Von einer Mabh O’Brian habe ich noch nie etwas gehört. Da hat sich wohl jemand einen Scherz mit uns erlaubt. Dein Vater stammt zwar aus England, aber soweit ich weiß, hat er in Irland keine Verwandten.« Sie gab Ajana den Brief zurück. »Mal sehen, was er heute Abend dazu sagt.«
     
    Die zwei Stunden bis zum Abendessen vergingen quälend langsam. Ajana versuchte zu lesen, konnte sich aber nicht richtig konzentrieren. So holte sie noch einmal das Tagebuch hervor und hielt die weiteren Ereignisse des Tages fest.
    Sie hatte noch nie etwas geerbt. Die Eltern ihrer Mutter lebten beide noch und erfreuten sich bester Gesundheit. Die Großeltern in England waren schon vor Jahren gestorben, und Ajana konnte sich kaum noch an sie erinnern. Sie wusste nur wenig über sie, denn ihr Vater erzählte nur selten von seiner Kindheit. Außerdem waren die Evans nicht seine leiblichen Eltern. Seine richtigen Eltern waren kurz nach seiner Geburt bei einem Verkehrsunfall gestorben. Die Evans, die selbst keine Kinder bekommen konnten, hatten ihn kurz darauf adoptiert und mit in ihre Heimat nach Cornwall genommen. Da ihr Vater keine Kontakte nach England pflegte, war Ajana bisher davon ausgegangen, dass es auf der Insel keine weitere Verwandtschaft gab, doch wenn es stimmte, was in dem Brief stand, verhielt sich alles ganz anders.
    Was mochte das wohl für ein Erbe sein?
    Ein Vermögen, wie ihr älterer Bruder Rowen mit einem schelmischen Grinsen vermutet hatte, war es sicher nicht.
    Was hatte eine Frau, die einhundertundein Jahre alt geworden war, wohl zu vererben? Altes Tafelsilber, wertvolles Porzellan, ein berühmtes Gemälde oder kostbaren Schmuck?
    In Gedanken sah sich Ajana schon mit einer dreireihigen Kette aus glänzenden Zuchtperlen oder mit einem diamantenfunkelnden Collier um den Hals vor dem Spiegel stehen.
    … das Erbe laut Testament erst mit Vollendung des sechzehnten Lebensjahres antreten. So stand es in dem Brief Ihr sechzehnter Geburtstag war übermorgen, genau an dem Tag, an dem auch der Anwalt kommen wollte. Ajana klappte das Tagebuch zu, legte sich aufs Bett und starrte zur Decke. Vor Aufregung wickelte sie unablässig eine Haarsträhne um den Finger. Obwohl die eigentliche Feier erst für den kommenden Samstag geplant war, hatte es ganz den Anschein, als würde es diesmal ein spannender Geburtstag werden.
    Die Haustür fiel klappernd ins Schloss und riss Ajana aus ihren Gedanken.
    Sie sprang auf und eilte mit dem
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