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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin
Autoren: Ricarda Jordan
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führen. Abram griff nun besorgt nach dem seinen. Diese Männer da vorn gefielen ihm nicht. Er trieb seine Maultiere an und schloss zu den vorderen Wagen auf.
    »Gibt es Schwierigkeiten?«, erkundigte er sich bei dem etwas ratlos wirkenden jungen Lanzenreiter.
    Der angesehene Kaufmann, der den ersten Wagen lenkte, war Friedensrichter in Al Mariya. Er redete in unsicherem Französisch auf die christlichen Ritter ein, die zwar nicht in voller Rüstung, aber doch in Kettenhemden und auf Streitrossen unterwegs waren. Sie wirkten, als suchten sie Ärger.
    »Gut, dass du kommst, Abram«, begrüßte ihn Baruch ibn Saul fast etwas erleichtert. »Die Herren sprechen kein Arabisch und auch nur unvollkommen Kastilianisch. Und mein Französisch war nie sehr gut …«
    Abram nickte. »Ich kann gern übersetzen, Herr«, bot er sich an, hocherfreut, dem angesehenen Handelsherrn einmal positiv aufzufallen, statt immer nur im Rahmen von Schlichtungsverhandlungen.
    Abram nahm es nicht ganz ernst mit den Regeln der Kaufmannschaft. Er betrog nicht direkt, aber er neigte dazu, seinen Kunden Dinge aufzuschwatzen, die sie nicht wirklich brauchten – und ließ sie obendrein teuer dafür bezahlen. Auch sein florierender Reliquienhandel war den seriösen Kaufleuten ein Dorn im Auge – konnten sie sich doch denken, dass nicht jeder Holzsplitter, den Abram maurischen Kriegern als Glücksbringer verkaufte, wirklich von Noahs Arche stammte. Und auch in den noch teureren Amuletten für die gläubigen Ritter befand sich kaum Mähnenhaar des mythischen Pferdes oder Maultiers, das den Propheten Mohammed weiland in den Himmel entrückt hatte. Von den diversen Körperteilen christlicher Heiliger, die irgendwann im Orient den Märtyrertod gestorben waren, ganz zu schweigen.
    Jetzt verbeugte sich Abram höflich vor den französischen Rittern. »Was ist Euer Begehr, edle Herren?«, fragte er freundlich, aber nicht unterwürfig.
    Den unterwürfigen Tonfall gegenüber Christen hatte er sich in sieben Jahren Leben in Al Andalus abgewöhnt – ein Fehler, wie sich jetzt herausstellte.
    »Du wagst es, das Wort an uns zu richten, Jude?« Der Anführer der Ritter spuckte das Wort förmlich aus.
    Abram zuckte die Schultern. »Ich dachte, ein paar Worte in Eurer Sprache würden die Verständigung vereinfachen«, bemerkte er. »Aber so …«
    Er tat so, als mache er Anstalten, seinen Wagen zu wenden – ein Manöver, das völlig aussichtslos war. Die Straße wurde auf der einen Seite von einem Abhang, auf der anderen von Felsen begrenzt. Es wäre höchst kompliziert gewesen, ein Wendemanöver durchzuführen, allenfalls hätte ein Wagen nach dem anderen, beginnend mit den hinteren Gefährten, umkehren können.
    »Wenn ich den Herrn richtig verstanden habe, besteht er darauf, dass wir ihm ausweichen, damit er die Straße vor uns passieren kann«, meinte Baruch ibn Saul unglücklich auf Hebräisch. »Da er ein Ritter ist und wir nur Juden. Unseren jungen Freunden hier«, er wies auf den maurischen Ritter, dem sich jetzt ein zweiter Lanzenreiter zugesellt hatte, »habe ich das besser nicht übersetzt, ebenso wenig wie dem maurischen Handelsherrn im dritten Wagen. Keiner der drei scheint sehr langmütig.«
    Abram runzelte die Stirn. »Können sie nicht einfach an uns vorbeireiten? Wenn wir die Wagen ganz nach rechts lenken und anhalten, müsste das gehen.«
    Baruch ibn Saul zuckte die Achseln. »Ich schätze, sie möchten inmitten der Straße im Galopp an uns vorbei. Sie suchen Streit, Abram, aber vielleicht kannst du ja vermitteln.«
    Abram nickte und versuchte es noch einmal. »Ich darf Euch im Namen von Tariq ibn Ali al Guadix und Muhammed ibn Ibrahim al Basra in ihrem Land willkommen heißen«, erklärte er und wies auf die maurischen Ritter. »Auch sie sind Angehörige des Ritterstandes, die sich freundlicherweise um die Bewachung unserer Waren kümmern.« Wie es dem Brauch entsprach, erwähnte Abram nicht, dass die Männer dafür fürstlich entlohnt wurden. »Wie es aussieht, gibt es kleine Differenzen bezüglich der Passage dieses Weges – wobei wir selbstverständlich anerkennen, dass Ihr in eiliger und wichtiger Mission unterwegs seid. Wir würden Euch gern den Vortritt lassen, aber wie Ihr unschwer erkennen könnt, wäre das nur unter größten Schwierigkeiten möglich. Wenn wir hier wenden, würde Euch das länger aufhalten, als wenn Ihr den Vorschlag des Herrn Tariq annähmet.« Der maurische Ritter hatte zwar gar keinen gemacht, aber er würde Baruchs
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