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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin
Autoren: Ricarda Jordan
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einen Schluck darauf trinken, meinst du nicht auch? Komm, übergib deinen Wagen einem meiner Knechte und leiste mir ein wenig Gesellschaft.«
    Abram nickte, obwohl er gern auf den Wein verzichtet hätte, wenn ihm dafür das sicher hochnotpeinliche Gespräch mit dem Kaufmann erspart geblieben wäre. Baruch ibn Saul war ein Freund seines Vaters – unzweifelhaft würde es sich also um die Vertretung seines Handelshauses in Al Andalus drehen. Und die betrieb Abram, wie er selbst wusste, nicht mit dem nötigen Ernst.
    »Du bringst Seidenstoffe zum Markt von Granada?«, erkundigte sich Baruch denn auch gleich, nachdem Abram sich zu ihm gesetzt hatte, während die Wagen weiterrollten. »Lohnt sich denn das? Gibt es nicht darauf spezialisierte Händler?«
    Abram zuckte die Achseln. »Ich muss in einer anderen Angelegenheit nach Granada«, meinte er ausweichend. »Und da dachte ich … bei der Gelegenheit …«
    »Sehr gut überlegt«, lobte Baruch. »Auch wenn es vielleicht manchen verdrießlich stimmt, dass da plötzlich neue Konkurrenz auftaucht.«
    Abram seufzte. Wahrscheinlich hatte sich schon einer der anderen Händler beschwert.
    »So … ist dein Vater zufrieden mit dem Gang der Geschäfte?«, führte Baruch die Befragung fort.
    Er sprach arabisch – wobei Abram sich an die hier allgemein übliche vertrauliche Anrede erst mal hatte gewöhnen müssen. Abram selbst hatte die Sprache schon als Jugendlicher gelernt, beherrschte sie aber nicht so gut wie seine Frau, die mit Feuereifer die Werke arabischer Astrologen studierte. Nun dachte er kurz daran, Verständnisprobleme vorzutäuschen.
    »Nun … wir haben unser Auskommen«, meinte er schließlich.
    Das stimmte, Abram und Miriam litten nicht unter wirtschaftlicher Not. Sie bewohnten ein hübsches Haus im Judenviertel eines kleinen Dorfes bei Al Mariya – wobei die Wahl auf das winzige Moxacar nicht deshalb gefallen war, weil es geschäftlich zentral lag, sondern weil sich nur dort ein Haus mit einem Turm gefunden hatte. Ein Turm war für Miriams Sternbeobachtung unabdingbar, zumindest hatte Abram ihr einen solchen versprochen, als die beiden die Ehe eingingen. Miriam verbrachte denn auch glückliche Nächte in luftiger Höhe mit ihrem Astrolabium – und in den Armen von Abram, der sie leidenschaftlich unter dem Sternenhimmel liebte.
    Fernhändler verirrten sich allerdings eher selten in das Dorf, das zwar nah der Küste lag, aber keinen eigenen Hafen besaß. Auch die nächsten Manufakturen fanden sich erst in Al Mariya, mehr als dreißig Meilen entfernt. Den idealen Standort für seine Dependance im Emirat Granada hatte Jakob von Kronach sich unzweifelhaft anders vorgestellt.
    »Und wer ist nun der neue Geschäftspartner in Granada?«, fragte Baruch weiter. »Ich gestehe, dass ich neugierig bin, aber soweit ich weiß, wickelt ein kastilianischer Fernhändler die Handelsbeziehungen zwischen Franken und Granada ab.«
    Abram überlegte kurz, ob er schwindeln sollte, aber wenn er sich jetzt neue Handelsbeziehungen ausdachte, würde Baruch das sicher seinem Vater berichten. Er nahm einen langen Schluck Wein – und begann sich nach dem Treffen mit dem Emir zu sehnen. Viel schlimmer als diese Befragung konnte es da auch nicht werden.
    »Oh, wir treffen uns nicht mit irgendeinem Kaufmann, wir haben eine Audienz beim Emir.«
    Miriams Stimme klang sanft und weich wie Honig. Sie hatte ihr Maultier neben Baruchs Wagen gelenkt, und Abram sah an ihren Augen, dass sie lächelte. Mehr als ihre warmen nussbraunen Augen waren von ihrem Gesicht nicht zu erkennen, aber schon ihr Anblick genügte, damit er sich besser fühlte. Und auch Baruch ibn Saul betrachtete die Frau wohlgefällig. Er hatte Miriam mehr als einmal unverschleiert gesehen. Die Frauen der Juden passten sich dem Brauch der Araber zwar in der Öffentlichkeit an, aber bei privaten Einladungen unter sich oder am Sabbat in der Synagoge ließen sie zumindest ihre Gesichter sehen, wenn auch nicht immer ihr Haar. Die Schönheit von Abram ibn Jakobs junger Gattin war insofern jedem bekannt.
    »Und es geht auch nicht um Seidenstoffe«, meinte Miriam sanft. »Nein, ich … wir … glauben, es geht um mich!«
    Baruch ibn Saul warf ihr einen entsetzten Blick zu und musterte dann Abram mit dem Ausdruck eines Menschen, der seinem Gegenüber wirklich alles zutraut: »Abram ibn Jakob! Du willst deine Frau verkaufen?«

Kapitel 3
    A bram und Miriam erheiterten sich noch über Baruchs fassungsloses Gesicht, als sie gegen Abend Granada
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