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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin
Autoren: Ricarda Jordan
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ihr liege«, führte Miriam weiter aus. »In ihrer Zukunft sähe ich einen warmen, leuchtenden Stern, der über sie wache.«
    Der Emir strahlte. Plötzlich wirkte er gar nicht mehr wie ein gestrenger Herrscher, sondern wie ein kleiner Junge, dem man ein lang erträumtes Geschenk gemacht hat.
    »Das ist es! So nennt sie mich! Ihren warmen, leuchtenden Stern, dessen Licht sie erleuchtet bei Nacht …«
    »Dich, Herr?«, fragte Miriam überrascht.
    Sie hatte da eigentlich eher an Schutzengel gedacht, oder was Christen sich sonst vorstellten, um sich über eine missliche Lage hinwegzutrösten. Susana haderte zweifellos mit ihrem Glauben, aus ihrem Brief ging hervor, dass sie fürchte, Gott habe sie verlassen.
    »Warum nicht mich?«, fragte der Emir jetzt streng. »Du willst doch nicht sagen, du hast jemand anderen gesehen!«
    Miriam schüttelte den Kopf. »Ich habe gar nicht so viel gesehen, Herr«, gab sie zu. »Ich bin Astronomin, ich kann den Lauf der Sterne berechnen und voraussehen, nicht den Lauf des Lebens deiner Konkubinen. Aber wenn jemand es wünscht, so kann ich auch Horoskope erstellen. Und …«
    »Und dabei hat Allah dir in diesem Fall zweifellos die Hand geführt!«, freute sich der Emir. »Um nicht zu sagen, er stattete dich mit einem bewundernswerten Gespür dafür aus, wie sich die Geschicke der Menschen zu aller Wohl lenken lassen …«
    »Nun …« Miriam senkte verlegen den Blick. Tatsächlich hatte sie bei ihrem ehemaligen Lehrmeister, Martinus Magentius, nicht nur gelernt, die Bahn der Sterne zu bestimmen. Der Mann war auch sehr gut darin gewesen, Menschen seinen Willen aufzuzwingen. Miriam selbst war ein Opfer seiner Strategien zwischen Versprechungen und Drohungen geworden. Erst Abram hatte ihr den Weg hinaus gewiesen. »Die Sterne, Herr, sind etwas so Schönes«, sagte sie schließlich. »Wie kann ich den Menschen da Böses weissagen? Das habe ich auch deiner Geliebten versichert, Herr. Gott hat uns die Sterne geschenkt, um uns zu erfreuen. Durch sie schaut er in Liebe auf uns herab …«
    Der Emir lächelte. »Ja, auch das hat sie gesagt. Gott habe mich ihr gesandt, sie wisse es jetzt. Und durch mich erkannte sie auch die Größe Allahs. Wie gesagt, sie hat den Islam angenommen. Und ich habe sie zu meiner dritten Gattin erhoben. Nachdem sie sich mir vorher monatelang verweigerte! Sie weinte nur und betete zu ihrem Christengott – von mir und meiner Liebe wollte sie nichts wissen. Bis dein Horoskop eintraf! Ich verdanke dir mein Glück, Miriam von Moxacar – oder woher du ursprünglich kommst. Ihr seid nicht aus Al Andalus, oder?«
    Miriam schüttelte den Kopf. »Nein, Herr. Ich stamme aus Wien, mein Vater war Münzmeister des Herzogs Friedrich von Österreich. Und Abram kommt aus einer Kaufmannsfamilie aus Kronach. Wir sind hergekommen, weil wir … nun, unter deiner Herrschaft, Erhabener, können wir in Frieden leben.«
    Im Stillen hoffte sie, dass dies auch auf Susana – Ayesha – im Harem des Emirs zutraf. Mit einer Eheschließung hatte Miriam nun wirklich nicht gerechnet. Sie hätte sonst sicherlich eine Warnung vor eifersüchtigen Erst- und Zweitgattinnen in das sternglänzende Horoskop einfließen lassen.
    Das Gesicht des Emirs umschattete sich ein wenig. »So kommt ihr nicht aus französischen Landen?«, fragte er.
    Miriam und Abram schüttelten die Köpfe.
    »Nein«, ergriff Abram schließlich das Wort. »Aber wir sprechen beide die französische Sprache. Wenn wir dir da also helfen können …«
    Der Emir lachte. »Nein, danke, als Übersetzer brauche ich euch nun wirklich nicht, ich beherrsche die Sprache selbst ausreichend, um … nun, um meinen derzeitigen Besucher zu verstehen. Dazu gehört auch nicht viel, der Mann ist ein grober Klotz …«
    »Der Graf von Toulouse?«, rutschte es Miriam heraus. Sie hatte blitzschnell ihre Schlüsse gezogen.
    Der Emir sah sie verwundert an. »Aus welchen Sternen hast du das denn jetzt gelesen? Aber wie auch immer, der Mann ist einer der Gründe, weshalb ich euch zu mir gebeten habe. Ich kann doch darauf zählen, dass ihr treue Untertanen seid?«
    Abram und Miriam nickten gleichzeitig.
    »Du hast keine treueren Untertanen als uns Juden!«, erklärte Abram.
    Selten hatte er etwas so ehrlich gemeint. Die jüdische Bevölkerung unterstützte den Emir vorbehaltlos, auch wenn es sie mitunter teuer zu stehen kam. In Sachen Sonderbesteuerungen war der Emir kaum weniger unersättlich als christliche Herrscher. Aber Pogrome und andere Ausschreitungen
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