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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin
Autoren: Ricarda Jordan
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sicher, Burg und Festung von Loches werden weiter in meinem Sinne verwaltet werden.«

Kapitel 2
    E r wird uns schon nicht gleich aufhängen«, meinte Miriam.
    Sie lenkte ihre rassige weiße Maultierstute neben den mit Waren beladenen Karren, den Abram lustlos durch das mit Gräsern und Gewürzpflanzen spärlich bewachsene Land zwischen Al Mariya und Granada steuerte. Es ging hier ständig bergauf, und die Pferde und Maultiere der Kaufmannskarawane, der die beiden sich angeschlossen hatten, schnauften unwillig. Auch Miriam war weit davon entfernt, den Ritt zu genießen, obwohl die Straße oft von spektakulären Felsformationen gesäumt war und die klare Luft atemberaubende Ausblicke auf die schneebedeckten Berge bot. In deren Ausläufern lag Granada, ihr Ziel, und der Palast des Emirs, der sie zu sich beordert hatte.
    »Und ich hab ihr auch gar nichts Schlimmes geweissagt«, fuhr Miriam fort und spielte mit dem Schleier, der ihr Gesicht und ihren Körper fast zur Gänze verbarg. Es war heiß unter der arabischen Reisekleidung. »Das mache ich doch nie. Ich hab ihr nur geschrieben, dass …«
    »Wahrscheinlich hätte sie sich gar nicht erst mit dir in Verbindung setzen dürfen«, mutmaßte Abram. Er hatte es in seinen weiten maurischen Leinengewändern erheblich bequemer als seine Frau. Juden und Mauren kleideten sich hier gleich: eine weite Hose und ein langes darüberfallendes Gewand. Eine gelbe Leinenkappe kennzeichnete Abram als Juden, aber es gab keine Pflicht, sie zu tragen. »In so einem Harem ist wahrscheinlich alles verboten. Und womöglich ist Sterndeuterei auch noch gegen deren Glauben. Die fanatischen Christen betragen sich da ja mitunter etwas seltsam …«
    »Der Emir hat seine eigenen Sterndeuter«, wusste Miriam. »So verboten kann es also nicht sein. Und die Frauen in Moxacar können fast alle schreiben. Wenn mich eine konsultiert, dann meistens aus dem Harem heraus. Die normalen Frauen haben doch gar nicht das Geld für ein ausgiebiges Horoskop … Überhaupt, dass diese Frau des Emirs von mir wusste … das hat sich nicht ›herumgesprochen‹ – die Frauen aus Moxacar und Granada treffen sich nie. Also werden sie einander geschrieben haben. Nein, wenn ich es mir recht überlege, kann der Emir gar nichts gegen mich haben! Es muss mit der Reliquie zu tun haben, die du ihm verkauft hast.«
    »Das war eine ganz einwandfreie Reliquie«, verteidigte sich Abram. »Ein Finger des heiligen Eulogius, mit einer Echtheitsbescheinigung aus Alexandria … Ein Geschenk des Emirs für die christliche Gemeinde in Granada – das werden die doch nicht beanstandet haben!«
    Während die beiden noch nachdachten – sie taten nichts anderes mehr, seit der Ruf des Emirs einige Tage zuvor erfolgt war –, regte sich etwas in der Vorhut der Handelskarawane. Abram und Miriam erkannten drei offenbar christliche Ritter, die der Karawane wohl entgegengekommen waren. Sie verhandelten ziemlich laut mit dem Anführer der Händler, einem jüdischen Kaufmann aus Al Mariya. Ein zum Schutz der Händler abgestellter maurischer Lanzenreiter saß daneben auf seinem Pferd, mischte sich jedoch nicht ein. Wahrscheinlich wurde das Gespräch in einer für ihn fremden Sprache geführt.
    Der Rest der aus insgesamt sechs schweren Wagen mit Fahrern und Begleitreitern bestehenden Karawane wirkte über die Begegnung mit den Fremden nicht alarmiert – in Al Andalus rechnete man nicht ständig mit bewaffneten Angriffen von Wegelagerern und Raubrittern wie in deutschen und französischen Waldgebieten. Abram und Miriam wussten nicht, ob dies damit zusammenhing, dass kein arbeitswilliger Mensch in Granada hungerte, dass die Ritter kultivierter und das Zusammenleben insgesamt besser geordnet waren oder einfach mit den drakonischen Strafen, welche die islamische Rechtsprechung auch gegenüber ranghohen Missetätern verhängte. In Kronach, wo Abram geboren war, hatte es immer Verbrechen gegeben, die letztlich nicht geahndet wurden – sei es, weil die Mörder, Plünderer und Vergewaltiger von Adel waren und die Opfer Bürger oder Bauern, sei es, weil Bürger oder Bauern ihre schlechte Laune an den weitgehend rechtlosen Juden ausließen.
    In Al Andalus ging es gerechter zu. Christen und Juden zahlten mehr Steuern als die maurische Bevölkerung, aber dafür genossen sie auch den Schutz der Gesetze. Der Handel war frei, niemand sperrte Juden in spezielle Wohnviertel, die nachts abgeschlossen wurden, und es war ihnen auch nicht verboten, ein Schwert zu
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